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Archiv-Artikel

Krise zwischen Angola und Kongo

Hinter neuen Spannungen an Angolas Staatsspitze stecken Zerwürfnisse mit Kinshasa über Diamanten, Migranten und politischen Einfluss – kurz vor Kongos Wahlen

BRÜSSEL taz ■ Von einer „Säuberung“ spricht die angolanische Wochenzeitung Semanario Angolense, und Beobachter konstatieren erhebliche Erschütterungen im Machtapparat von Angolas Präsident Eduardo dos Santos im Vorlauf zu den für 2007 geplanten Wahlen. Die Entlassung von Auslandsgeheimdienstchef Fernando Garcia Miala am 24. Februar, offiziell mit „Disziplinmängeln“ begründet, gibt bis heute Anlass zu Spekulationen.

Eine Quelle spricht von Streit zwischen Präsident dos Santos und General Miala über den Verbleib von 40 Millionen Dollar aus Angolas Zentralbank. Eine andere wirft General Miala vor, Militärattachés in angolanischen Botschaften im Ausland dafür eingesetzt zu haben, soziale Stiftungen zu finanzieren, womit eine Konkurrenz zur präsidialen Stiftung Fesa entsteht.

Unabhängig davon hat General Mialas Entlassung erhebliche regionale Konsequenzen. Miala gehört zur Ethnie der Bakongo, die im Norden Angolas, dem Westen der Demokratischen Republik Kongo und im Süden des nördlichen Nachbarlandes Kongo-Brazzaville lebt. Seine Entlassung, schreibt die portugiesische Wochenzeitung Expresso, ist für die Bakongo ein „enormer Verlust“. Sie schwächt Angolas Einfluss bei diesem Volk und gefährdet damit die von Angola gewünschte Wiederwahl von Kongos Präsident Joseph Kabila.

Die westkongolesische Provinz Bas-Congo, die sich von Kongos Hauptstadt Kinshasa bis zum Atlantik erstreckt und in der die Bakongo die Mehrheit stellen, steht bis heute stark unter Angolas Einfluss. Ende letzten Jahres beklagte die kongolesische Menschenrechtsorganisaion VSV (Stimme der Stimmlosen) die Übermacht angolanischer Soldaten in der Küstenstadt Moanda und ihre Arroganz gegenüber ihren kongolesischen Kollegen. Angola – eine wichtige Stütze Kabilas während der Kongokriege von 1996–97 und 1998–2003 – ist die einzige ausländische Kriegspartei aus dieser Zeit, die heute noch eine institutionalisierte Rolle im Kongo spielt: Es sitzt im internationalen Überwachungskomitee für Kongos Friedensprozess (Ciat), und angolanische Ausbilder trainieren Kongos Armee und Antiaufstandspolizei. In Kinshasa gilt Angola als Schutzmacht Kabilas.

Wenn Unzufriedenheit der kongolesischen Bakongo über Angolas Militärpräsenz mit Verärgerung der angolanischen Bakongo über politischen Einflussverlust einhergeht, könnte daraus grenzüberschreitende Unruhe entstehen. Bewaffnete Separatisten in der ölreichen angolanischen Exklave Cabinda könnten außerdem neuen Zulauf und neue Rückzugsgebiete im Kongo erhalten. Es ist kein Zufall, dass diese Woche Angolas Regierung ein neues Autonomiestatut für Cabinda in Aussicht stellte.

Welch große Sorgen sich Angola um Kongo macht, wurde bereits am 15. März deutlich, als Präsident dos Santos in einer Rede die „stille Invasion“ seines Landes durch „destabilisierende illegale Einwanderung“ verurteilte. Jeder wusste, wer gemeint ist: Diamantenschürfer aus dem Kongo, die auf der Suche nach Flussdiamanten immer wieder zu hunderttausenden über die Grenze schwärmen. Trotz einer Massendeportation von zehntausenden dieser so genannten Bana Lunda 2003–04 geht diese Migration weiter. Am 9. März töteten angolanische Polizisten elf kongolesische Diamantenschürfer in der kongolesischen Grenzstadt Tembo. Der Zustrom illegaler kongolesischer Schürfer schadet dem Image von Angolas Diamantenindustrie, die in den 90er-Jahren Zielscheibe internationaler Sanktionen gegen „Blutdiamanten“ war und jetzt zurück auf die Weltmärkte drängt.

Die „Bana Lunda“ in Angola sind ihrerseits nicht schutzlos. Manche werden von exilierten kongolesischen Guerillakämpfern unterstützt, den „Katanga-Gendarmen“, die seit dem Scheitern der Katanga-Sezession im Kongo Anfang der 60er-Jahre in Angola stehen. Auch sie halfen 1997 Kabila beim Sturz der damaligen Mobutu-Diktatur. Aber später gingen sie in die Opposition, und heute wird ihre politische Gruppierung FNLC (Kongolesische Nationale Befreiungsfront) von Kongos Regierung als Sicherheitsrisiko gesehen. FNLC-Chef Elie Kapend scheiterte im Februar beim Versuch, die friedliche Integration der Katanga-Gendarmen in Kongos Armee auszuhandeln. Seitdem stellt er sich gegen Kongos Friedensprozess und die geplante EU-Truppenstationierung in Kinshasa.

Ein Kriegsherd im diamantenreichen Grenzgebiet zwischen Angola und Kongo wäre das Letzte, was beide Länder gebrauchen könnten. Da Geheimdienstchef General Miala auch für den Kampf gegen die illegale Einwanderung der Diamantenschürfer zuständig war, kann seine Entlassung damit zusammenhängen. Und mit seiner Rede wollte Angolas Präsident dos Santos eventuell die Öffentlichkeit auf eine verstärkte Rolle Angolas im Kongo einstimmen. FRANÇOIS MISSER