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Archiv-Artikel

Anklage wegen heimtückischen Mordes

GEWALT In Verden beginnt das Gerichtsverfahren gegen den 20-jährigen Cihan A. Er soll im März einen 25-Jährigen Streitschlichter getötet haben. Neonazis begleiten den Prozess

Ein junger Mann wollte einen Streit schlichten, das bezahlte er mit seinem Leben. Vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Verden hat am Dienstag das Verfahren gegen Cihan A. begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 20-Jährigen vor, den fünf Jahre älteren Daniel S. getötet zu haben.

Der Angeklagte hat einen Migrationshintergrund und so standen vor dem Gerichtsgebäude Rechtsextreme, verteilten Flugblätter und hielten ein Transparent hoch auf dem stand: „Daniel ist tot! Wer ist der Nächste?“ Seit dem tödlichen Angriff in Kirchweyhe in der Nacht zum 10. März versuchen die NPD, die „Identitären“ und „Die Rechte“ die Tat zu nutzen, um vor „Ausländergewalt“ und „Deutschenfeindlichkeit“ zu warnen. Ohne Erfolg: Der Gemeinde gelang es, unterstützt von Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD), die rechten Aktionen ins Leere laufen zu lassen.

Lemmermann war auch zu Prozessbeginn vor Ort. Im Saal saß auch die Mutter von S., sie weinte, auch zwei Brüder des Opfers waren anwesend. Vor dem Vorsitzenden Richter Joachim Grebe gab A. seine Personalien an, weitere Angaben wollte er nicht machen. Die Staatsanwältin hielt ihm vor, S. „heimtückisch und aus niederen Beweggründen“ getötet zu haben.

Im Bus auf der Rückfahrt von einem Diskobesuch hatte A. Streit gehabt. S. versuchte zu schlichten. Bereits im Bus soll A. gesagt haben: „Einer wird diese Nacht nicht überleben.“ Als der Bus in Kirchweyhe hielt, so die Anklage, rannte A. raus, kam zurück, versetzte S. einen Faustschlag und sprang ihm in den Rücken. Sein Opfer prallte gegen den Bus. Selbst als S. regungslos am Boden lag, hätte A. weiter auf ihn eingetreten. „Er ist tot“, soll er gesagt haben: Es habe ihn das „Leben gefickt“.

Vier Tage später starb S. im Krankenhaus. Nach einem Jugendhilfe-Bericht ist A. auf der Entwicklungsstufe eines Jugendlichen. „Die Kammer muss selbst prüfen, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird“, sagte Gerichtssprecherin Katharina Krützfeldt der taz.

Bis zu 20 Verhandlungstage sind angesetzt. ANDREA RÖPKE/ ANDREAS SPEIT