: Gestörte Kommunikation
Die Ausstellung „SNAFU. Medien, Mythen, Mind Control“ in der Galerie der Gegenwart setzt sich bis Anfang Juni mit dem prinzipiellen Missverstehen in hierarchischen Kommunikationsstrukturen auseinander
Der in der Hacker-Kultur zum geflügelten Wort avancierte Begriff „SNAFU“ – ein Akronym für „Situation normal, all fucked up“ – entstammt ursprünglich dem Militärjargon der US-Armee zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Er bezeichnet ein Prinzip, nach dem Ketten von Entscheidungen innerhalb vertikaler Kommandostrukturen dazu neigen, ihren Bezug zur Wirklichkeit zunehmend zu verlieren: Hierarchische Kommunikation führt zwangsläufig zu einer Art systemischer Desinformation. Den folgerichtigen Umkehrschluss zieht in den 70er Jahren der anarchistische Held Hagbard Celine in Robert Anton Wilsons und Robert Sheas „Illuminatus“-Trilogie: Wahre Mitteilung gibt es nur unter Gleichen.
Die vom 2. April bis zum 5. Juni dauernde Ausstellung „SNAFU. Medien, Mythen, Mind Control“ in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle greift diesen Gedanken auf und setzt auf diese Weise eine thematische Klammer um 23 filmische Arbeiten von der Mitte der 60er Jahre bis hin zu Videoinstallationen und -filmen der jüngsten Zeit. Die verbindende Frage aller Beiträge ist die nach den Konsequenzen der Einsetzung von Kommunikationsmitteln. Welche Strukturen ergeben sich aus ihrer Anwendung und welche Störungen gehen damit einher?
Ein Highlight der Ausstellung ist die Arbeit des Leipziger Malers, Medienkünstlers und Filmemachers Lutz Dammbeck, der sich mit den möglichen Zusammenhängen zwischen militärischen Mind-Control-Experimenten, Hippie-Acid-Tests, der Erfindung des Internets und wissenschaftlicher Kybernetik beschäftigt hat – eine Auseinandersetzung, die letztes Jahr ihren Niederschlag in der gleichermaßen hoch gelobten wie umstrittenen Laptop-Roadmovie-Dokumentation „Das Netz. Die Konstruktion des Unabombers“ gefunden hat. In diesem Zusammenhang hat Dammbeck für seine Installation „Cabin“ die Waldhütte des technophoben ehemaligen Harvard-Mathematik-Professors Ted Kaczynski nachgebaut und mit allerlei Informationen versehen.
Zu sehen ist auch Andy Warhols „Exploding Plastic Inevitable“, ein Film über die erste psychedelische Multimedia-Show der Welt, in der Warhol und seine Factory Mitte der 60er Jahre mit synästhetischen Lightshows und Filmprojektionen zur Live-Musik von „Velvet Underground“ experimentierten.
Ausgehend von der Idee, sich vorwärts zu erinnern, setzen sich Eva Meyer und Eran Schaerf in ihrem auf ein Hörstück zurückgehenden Videoessay „Flashforward“ mit der Grenze zwischen Realem und Fiktivem als informativem Raum auseinander. Statt eine lineare Filmerzählung mit „Flashbacks“ zu unterbrechen, arbeiten Schaerf und Meyer mit fragmentarischen Einstellungen und erarbeiten mit Zwischenschnitten und einer um sich selbst kreisenden Kamera potenzielle Anschlüsse für Bilder, Töne und Zeitachsen.
Mit Linearität beschäftigt sich auch Lenka Clayton, die in „Qaeda Quality Question Quickly Quickly Quiet“ eine Rede von US-Präsident Bush aus dem Jahr 2002 in ihre 3.814 einzelnen Wörter zerlegt und alphabetisch aneinander gereiht hat: Mediale Inszenierung und Rhetorik reduziert auf das Wortmaterial.
ROBERT MATTHIES