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Archiv-Artikel

Gewaltausbruch bei Fußballspiel

Rechte provozieren Gastgeber: Beim Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem Chemnitzer FC kommt es am Millerntor zu Ausschreitungen. FC St. Pauli kritisiert Verhalten der Polizei

von Andreas Speit und Oke Göttlich

Weißer Kreis auf rotem Grund: Die Botschaft der Fahnen im Fanblock des Chemnitzer FC war eindeutig. Das schwarze Hakenkreuz musste gar nicht in den weißen Kreis gezeichnet sein. Der Rauch einer Brandbombe verstärkte die Assoziationskette bei den St. Pauli-Fans im Millerntorstadion. Auch der Schlachtruf aus dem Gästeblock war deutlich: „Hoo-Na-Ra“ – „Hooligans, Nazis, Rassisten“. Unter diesem Kürzel agieren bundesweit neonazistische Hooligans. Am vergangenen Samstag hatten sich welche von ihnen zum Fußball-Regionalligaspiel FC St. Pauli gegen den Chemnitzer FC (CFC) verabredet.

Auch aus Rostock und Cottbus waren sie angereist, um das „rote“ Hamburg aufzumischen. Und, wie es schon vorher in der Szene hieß, um den „Kiez von Punks, Zecken und Türken zu säubern“. Schon vor dem Spiel machten „Hoo-Na-Ras“ Krawall: In Harburg holte die Polizei mehr als 100 vermeintliche Fans des gegen den Abstieg kämpfenden Chemnitzer FC aus den Zügen, die dort randaliert hatten. Auch nahe des Hauptbahnhofs lieferten sich laut Polizei Chemnitzer Fans Schlägereien. Auf dem Steindamm griffen sie Passanten an und beschädigten türkische Geschäfte. 18 Personen kamen in Gewahrsam.

Am Millerntor versuchten Ordner die aufgeladene Stimmung zu dämpfen. Die Übergriffe waren bei den St. Pauli-Fans schnell bekannt geworden. Um weitere Provokationen während des Spiels zu unterbinden, wiesen die Ordner Fans im rechten Outfit ab. Träger von der bei Neonazis beliebten Marke „Thor Steinar“ durften nicht ins Stadion.

Etwa 40 abgewiesene Hooligans zogen während des Spiels über den Kiez. „Die machten Jagd auf Linke“, berichtete eine Augenzeugin von Angriffen auf Jugendliche. Immer wieder hätten die Randalierer gegrölt: „Juda verrecke“ und „Türken raus“.

Im Stadion tönte es aus dem Block der Chemnitz-Fans: „Eine U-Bahn bauen wir. Von St. Pauli bis nach Auschwitz.“ Kurz vor der Halbzeit wurden eine Rauchbombe und Knallkörper aus dem Gästeblock geworfen. Der FC St. Pauli wollte ihn daraufhin räumen lassen. Vizepräsident Marcus Schulz und der Sicherheitsbeauftragte Sven Brux erklärten der Polizei, dass diese so „deeskalieren und ein Zusammenstoß nach dem Spiel verhindern könne“. Doch die Beamten weigerten sich, den Block zu räumen. Auch die neonazistischen Fahnen wollten sie nicht entfernen.

Nach dem Spiel hielt die Polizei bis zu 400 Chemnitzer Fans zunächst im Stadion fest, um sie später in vier Bussen zum Hauptbahnhof zu bringen. Etwa 300 St. Pauli-Fans versammelten sich auf der Budapester Straße, anfangs friedlich. St. Pauli-Präsident Corny Littmann stellte sich vor einen Wasserwerfer und versuchte, die Situation zu entschärfen. Er geißelte das Verhalten der Chemnitzer Fans und mahnte Gewaltverzicht an. Als die Polizei die St. Pauli-Fans aufforderte, Richtung Reeperbahn abzuziehen und Wasserwerfer einsetzte, flogen Flaschen und Steine auf die Busse mit den Chemnitzern. Scheiben gingen zu Bruch, einige Insassen wurden verletzt.

In den Seitenstraßen kam es auch nach dem Spiel zu Schlägereien zwischen hunderten Anhängern beider Clubs. Offenbar ohne Überlick über die Lage ging die Polizei gegen alle vor, die nach „Störern“ aussahen, sagten Augenzeugen. Der Einsatz, so ein Beamter zur taz, sei auch polizeiintern umstritten gewesen.

Insgesamt zählte die Polizei 44 Gewahrsamnahmen und neun vorläufige Festnahmen. Die Beamten hätten es versäumt, in der Halbzeit den Gästeblock zu räumen, rügte gestern ein St. Pauli-Sprecher und kündigte Gespräche zur Aufarbeitung mit der Polizei an. Der CFC will heute Stellung nehmen.