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Archiv-Artikel

„Nicht alle Probleme mit Abschiebung lösen“

Zustände wie an der Rütli-Schule hätte man verhindern können, meint Nader Khalil von der CDU in Neukölln. Es fehle an Integrationsangeboten für palästinensische Flüchtlinge. Vor allem aber an Zukunftsperspektiven für deren Kinder

taz: Herr Khalil, vor drei Jahren haben Sie als Vorsitzender eines Vereins Berliner Palästinenser ein Gespräch zwischen Eltern aus Ihrem Verein und der Justizsenatorin organisiert. Die Eltern baten damals um Unterstützung, da sie mit der Erziehung ihrer Söhne nicht mehr klarkamen. Gab es Hilfe?

Nader Khalil: Leider nein, es kam keine Hilfe. Auch keine Unterstützung von politischer Seite. Die Folgen sehen wir jetzt.

Was sind die Probleme?

Wenn wir die Probleme der Jugendlichen verstehen wollen, müssen wir über die Lage der palästinensischen Flüchtlinge sprechen. Das sind Familien, die in einem 17 Jahre dauernden Bürgerkrieg gelebt haben. Die meisten hatten schon im Herkunftsland überhaupt keine Chance auf Bildung. Da sie hier nur geduldete Flüchtlinge sind, hat niemand von ihnen gefordert, Deutsch zu lernen, sich zu integrieren. Ich kenne Familien, die 14 Jahre in einem Duldungsstatus leben – deren Kinder können hier nicht sesshaft werden. Sie haben null Perspektive! Und diese Jugendlichen, die schlecht Deutsch sprechen, die keine Perspektive haben, die sammelt man nun an den Hauptschulen …

wo sie als Schüler nicht klarkommen.

Eine große Anzahl dieser Menschen hat immer noch einen Duldungsstatus – sie dürfen keine Ausbildung machen, nicht arbeiten. Das gilt auch für die Kinder, die jetzt auf den Schulen sind. Selbst wer hier geboren ist: Wenn die Eltern nur eine Duldung haben, hat er keine Chance. Deshalb fragt sich der ein oder andere Jugendliche: Warum soll ich einen Abschluss machen?

Die Lösungsvorschläge der CDU für diese Probleme lauten: Staatliche Unterstützung kürzen oder gleich abschieben. Ist das der richtige Weg?

Ich bin Kommunalpolitiker in Neukölln. Wir können hier nicht jedes Problem mit Abschiebung lösen. Aber in der Integrationspolitik haben die anderen Parteien auch keine besseren Rezepte. Jahrelang haben wir die Zuwanderer bei der Integration sich selbst überlassen. Wir haben keine vernünftigen Rahmenbedingungen gestellt, keine Ordnung da reingebracht. Deshalb sind wir schuld an dieser Situation, wir können nicht sagen, diese Leute sind selbst schuld.

Mit diesen Ansichten würden Sie auch in der SPD oder bei den Grünen ankommen. Warum sind Sie in der CDU?

Es gibt da viele Dinge, die für mich passen. Ich bin ein Wertemensch, ein Familienmensch, auch jemand, der etwas von religiösen Werten hält. Ich bin Muslim, aber die christlichen Grundwerte sind ja dieselben wie die islamischen. Da ist also kein Problem für mich da. Aber ich habe Probleme mit Ideen wie der Lockerung der Drogengesetze. Ich habe zwei Söhne, 5 und 7 Jahre alt. Wenn ich am Hermannplatz oder anderswo die Jugendlichen sehe, die mit dem Zeug dealen, dann werde ich wahnsinnig. Deshalb sage ich: Es muss eine gewisse Härte des Gesetzes da sein.

Wie sind denn Ihrer Meinung nach Probleme wie die der Rütli-Schule zu lösen?

Es ist nicht damit getan, dass man sich hinstellt und sagt: Wir haben einen arabischsprachigen Sozialarbeiter eingestellt, die Sache ist geregelt. Alles unter Kontrolle. So geht das nicht. Es geht nicht nur um Sprache. Es muss ein Programm her, das die Familien, die Eltern, die Jugendämter, die Polizei mit einbezieht. Vor allem aber die Vereine, die wirklich Kontakt zur Basis haben. Es ist sehr wichtig, die zu unterstützen, die die Hintergründe dieser Familien kennen, Zutritt zu ihnen haben und wissen, wie man die Probleme ansprechen kann. Die meisten Familien wollen hier friedlich leben, und wir müssen ihnen diese Chance geben.

INTERVIEW: ALKE WIERTH