Klänge für die Weltgesellschaft

HANDARBEIT Der Schlagzeuger Max Weissenfeldt verbindet Soul und afrikanische Musik. Heute feiert er im Lovelite die Gründung seines Labels Philophon Records mit drei Singles von Musikern aus Ghana

VON TIM CASPAR BOEHME

Afrobeat hat ziemlich lange gebraucht, um in Deutschland überhaupt wahrgenommen zu werden. Die musikalischen Neuerungen in Ländern wie Ghana oder Nigeria während der siebziger Jahre finden hierzulande erst jetzt ein größeres Publikum, dank eifriger Wühlarbeit von Reissue-Labels wie Analog Africa oder Soundway. Es gibt aber auch Musiker, die den Geist dieser und ähnlicher Musik für die Gegenwart erhalten wollen – mit neuem Material. Der Berliner Schlagzeuger Max Weissenfeldt zählt zu diesen Vermittlern zwischen früher und heute. Sein neu gegründetes Label Philophon Records dokumentiert seinen unkonventionellen Ansatz.

Max Weissenfeldt, Jahrgang 1975, ist derzeit oft in Ghana unterwegs. Dort arbeitet er an einem von der Bundeskulturstiftung geförderten Projekt mit dem Ziel, ghanaische Musiker und Berliner Jazz- und Improv-Musiker in einem Orchester zusammen spielen zu lassen. Seit 2010 war er sechsmal dort. In Ghana lernte er auch die Musiker kennen, die auf den ersten drei Vinylveröffentlichungen von Philophon Records zu hören sind.

Da Ghana in seinem Leben „sehr präsent“ ist, habe er zum Auftakt des Labels „diese drei Singles mit afrikanischen Sängern gemacht“, so Weissenfeldt. Wobei „mit“ in diesem Fall heißt, dass die Musik sowohl von Weissenfeldt als auch von den Sängern aus Ghana stammt. Teile der Platten entstanden zunächst in seinem Kreuzberger Studio. Dort nimmt er regelmäßig mit befreundeten Musikern wie Josie Coppola, dem Schlagzeuger des Reggae-Sängers Gentleman, die Grundrhythmen für Stücke auf.

Mit dieser Musik im Gepäck fuhr Weissenfeldt nach Ghana und legte sie den Musikern dort vor, Alogte Oho Jonas etwa: „Ich habe den Jonas getroffen, ihm drei Titel gegeben und gesagt: Such dir was aus.“ Für die Aufnahme des Gospelchors, der auf Jonas’ Platte zu hören ist, ging es dann auf dem Motorrad durch die Steppe zu einer entlegenen Kirche. Den Chor bildeten die Lehrerinnen der zur Kirche gehörenden Schule.

Das Erstaunlichste an dieser Vorgehensweise ist, dass die Musik, die Weissenfeldt aus Berlin mitbringt, in Ghana kaum noch wahrgenommen wird. Statt handgemachtem Afrobeat dominiert dort programmierte Musik. Weissenfeldt will daher ein wenig von der Tradition des Landes erhalten helfen: „Es gibt heute viele Leute, die elektronisch arbeiten, nicht weil sie darin ein Medium sehen, sich auszudrücken, sondern weil es billiger ist. Das hört man halt.“

Für die Musik auf Philophon gilt daher: „Ein Grundsatz des Labels ist, dass es handgemachte Musik ist.“ So auch Roy X alias Jimmy Taylor, der Sohn der ghanaischen Musikerlegende Ebo Taylor. Roy X rappt sonst zu elektronisch produzierten Klängen. Mit Weissenfeldt hingegen spielte er Stücke ein, die im Stil an den gitarrendominierten Highlife erinnern, für den Taylors Vater berühmt wurde.

Weissenfeldt kam selbst über den HipHop zum Soul. Mit seinem Bruder Jan gründete er 1990 die Poets of Rhythm und später die Whitefield Brothers. Sein Projekt The Polyversal Souls wird heute bei der Philophon-Label-Nacht zu erleben sein. Der ebenfalls geplante Auftritt des Ghanaers Guy One, des dritten auf Philophon vertretenen Künstlers, scheiterte kurzfristig an Visumformalitäten.

Dass Weissenfeldt so unermüdlich die Musik verschiedener Kulturen zusammenbringt, hat nichts mit unbedarftem Ausprobieren zu tun, sondern entspringt einem ernsthaften Bedürfnis: „Ich denke, dass es die Aufgabe unseres Jahrhunderts ist, eine Form von Weltgesellschaft, auch im Kulturellen, zusammenzubringen.“

Eine „Weltgesellschaft“, die „die Vielfalt der Welt zum Ausdruck bringt und den Respekt vor der Vielfalt als ein kulturelles Gut betrachtet.“ Dazu soll Philophon einen kleinen Beitrag leisten. Das Gegenteil von Vielfalt ist für ihn „Einheitsbrei“ im Stil von Lady Gaga.

Weissenfeldt ist allerdings auch kein fanatischer Purist. So arbeitete er im vergangenen Jahr zunächst mit der Blues-Legende Dr. John, danach aber auch mit dem HipHop-Visionär Madlib im Studio. Und obwohl die Musik auf Philophon dem Grundsatz folgt, handgemacht zu sein, haben sich sogar ein paar elektronische Klänge eingeschlichen. So hatte Weissenfeldt für die Aufnahme der Single von Guy One alte Tonbänder aus dem Archiv der Philharmonie besorgt. „Es waren irgendwelche elektroakustischen Experimente auf diesem Tonband“, erinnert sich Weissenfeldt.

„Dann haben wir das Stück aufgenommen und abgespielt, und da war dieser Fetzen vorher noch dran. Der hat dann irgendwie als Intro gepasst, also haben wir ihn gelassen.“

Auch das ist Respekt vor kultureller Vielfalt.

■ Philophon-Night: Heute, 22 Uhr, Lovelite, Simplonstr. 38, Friedrichshain. Philophon-Website: www.philophon.com