piwik no script img

Archiv-Artikel

Ohne Bullen keine Gewalt

Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Berlin-Neukölln, R-Hauptschule

Nur mit schlechtemBenehmen kommt manins Fernsehen.Also mehr davon

Heute zahle ich mit ganz kleiner Münze: Meinen Reiseempfehlungen für den Pamukkale-Schrottplatz am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg lasse ich die R-Hauptschule von Neukölln folgen. Man kann die beiden Destinationen gut miteinander verbinden. Sie sind nur wenige Fußminuten voneinander entfernt.

In Berlin arbeiten Lehrer nicht gerne und nicht lange. Wer immer kann, lässt sich frühpensionieren. Dafür gibt’s stadtweit bekannte Psychologen, die schon mal eine Schulkinderallergie attestieren. Wem das nicht gelingt, sinnt auf andere Weise auf Ablenkung und Befreiung von lästiger Erziehungs- und Bildungsarbeit. Der jüngste Clou: Die Forderung nach Schließung der eigenen Schule durch Mitglieder eines Kollegiums. Die Forderung, vom Bürgerblättchen, das die Westberliner Lehrer aus alter Gewohnheit lesen, in die Welt posaunt, gewinnt schnell bundesweite Verbreitung: Die Schüler stammen aus arabischen „Migrationsfamilien“. Sie sind folglich frech und gewalttätig. Sie bedrohen die Lehrer und sind ungezogen. Ja – es soll sogar zu Schulschwänzen kommen. Das Publikum ist erschüttert. Der Kulturminister redet wie Propaganda-Ali weiland in Bagdad: Kein Schulstandort soll aufgegeben werden. Stattdessen gibt’s Polizeischutz. Der kostet den Schuletat nichts, ist aber gut zu sehen. Sofort auch setzt massiver Tourismus ein. Journalisten belagern die Schule: Der Unterricht fällt aus, die Halbwüchsigen werden zu Medienstars und dürfen ihre pubertierenden Stimmchen und Stimmungen vor einem Massenpublikum ausbreiten. Mangels Berichtenswertem erfahren wir vom Kampf um O-Töne aus der Schule. Die Schüler bewerfen die Journalisten aufforderungs- und pflichtgemäß mit Klamotten. Politiker jedweder Couleur bereisen die Schule, die Mienen verdunkelt: Schaudern über die Eroberung unbekannten und gefährlichen Terrains, ausgestattet mit malerischen Bodyguards. Zum Beispiel die Ausländerbeauftragte unserer Kanzlerin. Sie fährt mit zwei Staatslimousinen an und sieht nach dem Rechten. Die Kanzlerin selbst outet sich als Fachfrau für Erziehungsfragen. Auf dem Inaugurationsparteitag der Landes-CDU für den unterhaltsgierigen F. Pflüger als Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahlen (wir erinnern uns: er hat seine Ex auf Unterhalt verklagt, die er für eine Jüngere verlassen hat) analysiert sie messerscharf, dass an den Verhältnissen in der Schule die Berliner SPD und PDS schuld sind. Bei ihr in der uckermärkischen Bildungsanstalt, designt noch von Margot Honecker, ging’s anders und besser zu. Da lernte man noch was. Ihr Beispiel erweist’s.

Eine der Parolen der frühen 80er war: Ohne Bullen keine Gewalt. Die Hauptschüler aus Neukölln haben in der letzten Woche fürs Leben gelernt. Nur mit schlechtem Benehmen kommt man ins Fernsehen und ins öffentliche Bewusstsein. Also mehr davon.

Zum Reiseziel Pamukkale, das ich letzte Woche vorstellte, darf ich nachtragen: Es hat sich jetzt ein Unternehmer gefunden, der dem Bezirk die Kosten der Wiedereröffnung der Ruine abnehmen will. Es empfiehlt sich also doch, alsbald das Dritte-Welt-Ambiente zu atmen. Die rot-rot-grünen Machthaber in Kreuzberg, die das Ding verbrochen haben, könnten nun nämlich versucht sein, es beseitigen zu lassen. Nachbarn haben mich darauf hingewiesen, dass die selben Typen, die diesen Schandfleck zu verantworten haben, jeden privaten Bauherrn mit horrenden Ordnungsgeldern überziehen, wenn er sich eine solche „Baustelle“ über 7 Jahre leistete. Es sind dieselben Typen, die unnachsichtig Sprayer verfolgen lassen, die öffentliches Straßenland mit feiner Spraykunst bereichern. Das ist nämlich unordentlich. JONY EISENBERG