: Eine Schweizer Geisel soll die Kriegskasse füllen
KONGO Mit der Entführung von acht Mitarbeitern des Roten Kreuzes melden sich Buschmilizen zurück
BERLIN taz | Im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat eine Miliz acht Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) entführt und damit ein Schlaglicht auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Region geworfen. Die Rotkreuzler, ein Schweizer und sieben Kongolesen, wurden nach IKRK-Angaben am Freitagnachmittag von der Miliz Mai-Mai-Yakutumba gekidnappt. Nach Informationen der taz werden die Geiseln in der Provinz Südkivu rund 50 Kilometer außerhalb der Stadt Fizi festgehalten. Sie seien auf dem Rückweg aus dem Landesinneren gewesen, als die Miliz ihnen an einer Straßensperre Autos und Telefone abnahm.
Mit Mai-Mai werden im Ostkongo lokale Milizen bezeichnet, die ihr jeweiliges Gebiet gegen fremde Einflüsse verteidigen und sich politisch nicht dauerhaft einbinden lassen. Yakutumba ist einer von mehreren Milizenführern vom Volk der Bembe. Er war im November 2009 mit seinen Kämpfern aus Kongos Regierungsarmee ausgetreten und hatte zum „Befreiungskrieg“aufgerufen. Sichtbare Folgen hatte dieser Aufruf zunächst nicht. Seitdem soll er mit den im Ostkongo stationierten ruandischen Hutu-Milizen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zusammenarbeiten.
Evariste Mfaume, Leiter der Nichtregierungsorganisation SVH in Fizi, schätzte die Geiselnahme gegenüber der taz als Zeichen der Schwäche Yakutumbas ein, der dringend Geld und Aufmerksamkeit suche. Eine Reihe von Militärschlägen hätten die Mai-Mai-Gruppen zuletzt geschwächt. Zahlreiche Vertriebene seien derzeit auf dem Weg an die Küste des Tanganjika-Sees, der Kongo von Tansania trennt.
Öffentlich gemacht wurde die Geiselnahme, nachdem ein erster Verhandlungsvorstoß des Roten Kreuzes scheiterte und gestern neue schwere Kämpfe ausbrachen. Kongos Regierung versucht derzeit, Unnachgiebigkeit gegenüber Rebellen zu beweisen, um ihre Forderung nach einem baldigen Abzug der UN-Blauhelme aus dem Kongo zu untermauern. In Reaktion darauf schlossen sich vergangene Woche 17 bewaffnete Gruppen des Ostkongo, darunter die einst von Tutsi-General Laurent Nkunda geführte CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) sowie zahlreiche seiner einstigen lokalen Gegner, zu einer „Allianz zur Rettung der Friedensverträge von Goma“ zusammen und sagten der Regierung den Kampf an. Die Friedensverträge von Goma vom Januar 2008 hatten die Eingliederung aller bewaffneten Gruppen Ostkongos in die Armee vereinbart, was nach Meinung vieler Milizenführer nur unzureichend umgesetzt worden ist. Unklar bleibt, ob die Geiselnahme nun ein erstes Lebenszeichen dieser Allianz ist. DOMINIC JOHNSON