piwik no script img

Heroin auf RezeptCDU: Spreizschritt in die Moderne

Was für eine Vorstellung: Junkies gehen morgens zum Arzt statt auf den Strich, in die Ambulanz statt Schnorren, in die Apotheke statt auf Einbruchstour. Und danach? Arbeiten, vielleicht. Geld verdienen. Oder ins Café. Ganz legal. Ganz normal.

Kommentarvon JAN KAHLCKE

Dass das nicht mehr wie ein weltfremder Wunschtraum aus dem Lehrbuch für Sozialarbeiter klingt, ist eine kleine Sensation. Einmal gewagt, hat ein wissenschaftliches Experiment bewiesen, was viele Experten längst vermutet hatten: Dass man Heroinabhängigen am besten mit Heroin helfen kann. Nicht mit dem Teufelszeug Methadon, das viel stärker süchtig macht und als Nebenwirkung Depressionen auslöst. Nicht umsonst nehmen fast alle Methadon-Patienten nebenher Drogen wie Kokain, um die Stimmung aufzuhellen.

Vor der Hamburger CDU muss man den Hut ziehen, dass sie ihre anfängliche Ablehnung überwunden hat und nun vorurteilsfrei die Lehren aus dem Modellversuch zu ziehen bereit ist. Hier hat sie bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, moderne Großstadtpolitik zu machen.

Aber die Restpartei ist noch nicht so weit. Ein paar ewig Gestrige sind dem Prinzip von Schuld und Strafe derart verhaftet, dass sie die Vorstellung von gut gelaunten Heroinabhängigen mitten in der Mehrheitsgesellschaft einfach nicht ertragen. Dass sie das Kostenargument hervorkramen, um die Heroinabgabe zu diskreditieren, ist schon fast komisch. Hat mal jemand ausgerechnet, was Beschaffungskriminalität und Verelendung den Staat kosten?

bericht SEITE 22

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen