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Archiv-Artikel

Jung will Verteidigungsfall neu definieren

Minister plant gleich mehrere Änderungen des Grundgesetzes. Einsatz der Bundeswehr im Innern nur der Anfang

BERLIN taz ■ „Sehr diskussionswürdig“ findet Verteidigungsminister Franz Josef Jung die Frage, ob es nicht einer rechtlichen Klarstellung von Bundeswehreinsätzen im Ausland bedarf. Im Klartext: ob nicht die Verfassung entsprechend geändert werden sollte. Langfristig, so ließ Jung durchblicken, hielte er eine neue Definition des Verteidigungs- und des Bündnisfalles im Grundgesetz für wünschenswert.

Kurzfristig hat Jung das Machbare im Blick. Man könne heute nicht mehr so wie früher sagen: „Im Äußeren die Bundeswehr, im Inneren die Polizei.“ Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus habe die Lage grundlegend verändert. Jung hält es deshalb für notwendig, die Verfassung zumindest in dem Punkt zu ändern, dass Militär künftig für die Luft- und Seesicherheit zuständig sein dürfe. Das läuft auf eine – zumindest begrenzte – Erlaubnis hinaus, die Bundeswehr auch im Inland einzusetzen. Obwohl dieser Punkt innenpolitisch umstritten ist, zeigte sich der Minister gestern zuversichtlich, dass im Parlament die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine entsprechende Grundgesetzänderung erreicht werden könne.

Weniger überzeugt ist Jung davon, dass zeitgleich der Verteidigungsauftrag der Streitkräfte neu in der Verfassung definiert werden könne. „Ich würde mir wünschen, das könnten wir in einem Aufwasch machen.“ Aber so weit sei die „öffentliche Diskussion“ noch nicht gediehen, und es gebe dafür auch derzeit keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Soll heißen: Der sozialdemokratische Koalitionspartner ist davon noch nicht überzeugt. Das mag sich allerdings noch ändern: Der Verteidigungsminister schloss nicht aus, dass das Grundgesetz in dieser Legislaturperiode gleich mehrfach geändert werden könne.

Hintergrund der Überlegungen ist, dass nach Meinung von Jung ein Großteil der Öffentlichkeit noch nicht darauf vorbereitet ist, dass die Bundeswehr von Juli an ohne großen Vorlauf an Nato-Einsätzen beteiligt werden kann. Im Krisenfall wird es ab dann nach Angaben des Ministers möglich sein, bis zu 6.600 Bundeswehrsoldaten innerhalb von fünf Tagen der so genannten „Nato Response Force“ (NRF) zur Verfügung zu stellen. Von Januar 2007 an gelte das dann auch für rund 1.300 Soldaten, die an einer EU-Eingreiftruppe beteiligt werden. „Das geht dann relativ fix – auch mit einem Bundestagsmandat“, sagte Jung. Wochenlange öffentliche Debatten wie gegenwärtig über den Kongo-Einsatz der EU, in dem die Bundeswehr eines der größten Kontingente stellen soll, werde es dann nicht mehr geben. Jung sagte, er sei zuversichtlich, dass er eine breite Zustimmung des Bundestags für ein Kongo-Mandat erhalten werde. BETTINA GAUS

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