Von Rostock lernen, heißt siegen lernen

Lübeck will bis zu 90 Prozent seiner Hafengesellschaft verkaufen. Attac und ver.di warnen vor einem Mehrheitsverkauf und verweisen auf das Beispiel Rostock. Hamburger Hafen und Logistik-Gesellschaft als Kandidat im Gespräch

Kein Bürger wird erfahren, welche Abgeordneten sich für oder gegen den Verkauf eines großen Teils der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) ausgesprochen haben. Der Mehrheitsbeschluss, einen finanzkräftigen Partner für die LHG zu suchen, wurde hinter verschlossenen Türen gefasst. Dabei steht der Einfluss der Stadt in einem zentralen Politikfeld auf dem Spiel. Die Gewerkschaft ver.di und das Netzwerk Attac zeigen warnend auf Rostock, wo die Privatisierung schief gelaufen sei.

Es geht um den stark wachsenden Schiffsverkehr im Ostseeraum und Investitionen von 190 Millionen Euro. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) möchte damit das Umschlagvolumen der LHG – 24,6 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr – in den kommenden anderthalb bis zwei Jahrzehnten vervielfachen. Die LHG ist Medien zufolge mit 71 Millionen Euro verschuldet. Die Stadt könne der LHG das Geld für die Investitionen mittelfristig nicht mehr verschaffen, das ließen die schärfer werdenden EU-Bestimmungen zur Hafenfinanzierung nicht zu. Abgesehen davon, dass Lübeck selbst auf einem Schuldenberg von mindestens 460 Millionen Euro sitzt.

Um der LHG zusätzliches Eigenkapital zu verschaffen und, so Saxe, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, soll jetzt ein Investor gefunden werden. Anderthalb Jahre soll das Auswahlverfahren dauern und bis zu einer Million Euro kosten. Ob am Ende tatsächlich verkauft werde, hänge davon ab, ob ein Partner gefunden werde, der langfristig am Ausbau des Hafens interessiert sei. „Wir suchen uns keine Heuschrecke“, versichert Marc Langentepe, der Sprecher der Stadtverwaltung.

Genau das befürchtet aber die Gewerkschaft ver.di, die viele der 1.000 Beschäftigten der LHG vertritt. Als abschreckendes Beispiel gilt ihr Rostock, das seine Hafengesellschaft 1996 an das internationale Konsortium Kent-Investment verkauft hat. Damals zogen sogar Beschäftigte vor das Rathaus, um für den Verkauf zu demonstrieren. Dabei seien viele Fehler gemacht worden, sagt der Rostocker Gewerkschaftssekretär Michael Pfeiffer. Rostock habe viel zu billig verkauft, zu unverbindliche Vereinbarungen getroffen – und die mit dem falschen Partner.

Die Verträge hätten vielfach nur Absichtserklärungen enthalten, die nicht eingehalten worden seien, sagt Pfeiffer. „Die Vorstellungen, die Rostock hatte, sind nicht so umgesetzt worden, wie es mal gedacht war“, räumt die stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Anke Knitter ein. So habe es Streit um ein Hafengrundstück gegeben, auf dem die Stadt eine Firma ansiedeln wollte und die der neue Hafenbetreiber nicht hergeben wollte. Die Stadt suchte schließlich ein anderes Grundstück.

Pfeiffer wirft den neuen Eigentümern vor, sie hätten hunderte von Mitarbeitern entlassen und „so gut wie nichts investiert“. Dem stehen die Zahlen im Güterumschlag entgegen, die in Rostock seit 2001 um fast zwölf Prozent zulegten. In Lübeck waren es weniger als die Hälfte. Zu verkaufen, das findet Knitter „in Ordnung, man muss nur gucken, an wen“.

Lübecks Bürgermeister Saxe findet, der Zeitpunkt für die Investorensuche sei günstig: Die Nachfrage nehme zu. Als Interessenten werden neben der Deutschen Bahn und der Buss-Gruppe auch die Hamburger Hafen und Logistik-Gesellschaft (HHLA) gehandelt. „Wir gucken erstmal, zu welchen Bedingungen was angeboten wird“, sagt HHLA-Sprecher Florian Marten. 2003 hat die HHLA den 50 Millionen Euro teuren Containerterminal Lübeck (CTL) in Betrieb genommen, der durch Pendelzüge mit Hamburg verbunden ist. Das erspart den Weg durch den Nord-Ostsee-Kanal und damit Zeit.GERNOT KNÖDLER