Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Relativ selten zu sehen ist Orson Welles’ 1955 in mehrmonatiger Produktionszeit in Spanien, Frankreich, Deutschland und Italien entstandener Krimi „Mr. Arkadin“. Besonderen Wert auf eine plausible Kontinuität der Story um einen dubiosen Magnaten (Welles), der die Weggefährten seiner kriminellen Vergangenheit von dem Abenteurer Van Stratten (Robert Arden) ausfindig machen lässt, um sie anschließend aus dem Weg zu räumen, konnte der Maestro allerdings nicht legen: Seine Darsteller waren größtenteils befreundete SchauspielerInnen, die ohne Gage in ihrer Freizeit mitwirkten. So kam es, dass Welles lediglich eine Vielzahl von amüsanten Kabinettstückchen filmen konnte, die später mit einer Off-Erzählerstimme verbunden wurden: Da äußert Akim Tamiroff im Angesicht des Todes den Wunsch nach gebratener Leber mit Äpfeln, Patricia Medina taumelt betrunken über ein schwankendes Schiff, und Mischa Auer lässt als Direktor eines Flohzirkus seine Flöhe Fußball spielen. Am bizarrsten ist jedoch Welles’ Maske: Mit einem absolut abstrusen Bart sieht er aus wie der Meeresgott Neptun. Gleich eine ganze Orson-Welles-Reihe zeigt das Lichtblick-Kino: Neben Welles’ spätexpressionistischem Debüt „Citizen Kane“ (1941) ist da natürlich auch Carol Reeds Thriller „The Third Man“ (1949) mit dem Genie in seiner vielleicht besten Rolle als zynischer Penicillin-Schieber Harry Lime unverzichtbar. Aus Welles’ filmischer Spätphase stammt dagegen der Essayfilm „F For Fake“ (1973/75), für den er Material eines Dokumentarfilms von François Reichenbach über den amüsanten Kunstfälscher Elmyr de Hory („Man muss ein Gemälde nur lange genug im Museum hängen lassen, dann ist es eines Tages echt“) mit zusätzlich gedrehten Szenen verband, in denen unter anderem der Hory-Biograf Clifford Irving (der später die Howard-Hughes-Biografie fälschte) und Welles’ Lebensgefährtin Oja Kodar auftreten. Welles selbst fügt das disparate Material als Taschenspieler und Conferencier zu einer ebenso charmanten wie intelligenten Reflexion über Wahrheit und Fälschung in der Kunst zusammen, in der man jedoch nicht alles glauben kann, denn „fast jede Geschichte ist auch eine Lüge“, wie der Regisseur gleich zu Beginn anmerkt. Zu den geradlinigsten Filmen Alfred Hitchcocks gehört „Blackmail“ (1929), in dem die sexuelle Leichtfertigkeit der koketten Tochter eines biederen Ladenbesitzers eine ganze Kette von Schuld und Verbrechen nach sich zieht. Schon während Alice (Anny Ondra) mit ihrem Verlobten, einem Inspektor von Scotland Yard, im Café sitzt, erfährt man, dass sie gleichzeitig mit einem zweiten Mann verabredet ist. Um ihren Verlobten loszuwerden, bricht sie einen Streit vom Zaun und verlässt das Lokal frohgemut mit dem anderen. Doch jener wird bald zudringlich, Alice ersticht ihn, der Verlobte soll den Mord aufklären und unterschlägt ein Beweisstück. Ein Erpresser tritt auf den Plan … Sowohl als Stumm- wie als Tonfilm gedreht, besticht an der Tonversion Hitchcocks souveräner Umgang mit der neuen Technik, die er dramaturgisch geschickt nutzte. Lars Penning