: Ultimatum an Pariser Regierung
In Frankreich gibt es erstmals politische Gespräche über den umstrittenen Erstanstellungsvertrag. Die Gewerkschaften und die Linke sind sich so einig wie selten
PARIS taz ■ Stärker und einmütiger als seit Jahrzehnten haben gestern in Paris die Gewerkschaften ihre ersten Gespräche mit VertreterInnen der Regierung und der rechten Partei UMP begonnen. Am Tag nach den neuen Machtdemonstrationen einigte sich die „Intersyndicale“ am Vormittag auf eine gemeinsame Linie: Die Gewerkschaften verlangen, dass der Erstarbeitsvertrag (CPE) zurückgezogen wird. Das soll noch vor Beginn der Parlamentsferien am 17. April geschehen. Für die Zukunft besteht sie darauf, dass die Regierung sie konsultiert, bevor sie das Arbeitsrecht verändert.
Anfang kommender Woche, wenn die erste Gesprächsrunde zwischen rechten PolitikerInnen und sämtlichen Gewerkschaften sowie StudentInnen und SchülerInnenorganisationen zu Ende ist, will sich die „Intersyndicale“ erneut treffen, um über weitere Protestaktionen zu entscheiden.
Als „historisch“ und „großartig“ bezeichnete Gérard Aschieri, Chef der größten Lehrergewerkschaft FSU, gestern Vormittag die enge gewerkschaftliche Zusammenarbeit. Das war beinahe ein Dank an die rechte Spitze in Paris, die mit ihrer Blockadepolitik diese Annäherung der zerstrittenen gewerkschaftlichen Kräfte zustande gebracht hat. An der „Intersyndicale“ nahmen gestern neben den fünf nationalen Gewerkschaften auch die kleineren Gewerkschaften sowie studentische und Schülergruppen teil. Einen historischen Schulterschluss angesichts der politischen Krise hat auch die politische Linke geschafft: dort machen die trotzkistische LCR, die kommunistische Partei, die Grünen und die PS gemeinsam Front gegen die Aushöhlung des Kündigungsrechtes.
Was gestern am späten Nachmittag im Parlament begann, war die allererste sozialpartnerschaftliche Kontaktaufnahme über den CPE. Der rechte Regierungschef hatte die Verlängerung der Probezeit für Beschäftigte unter 26 Jahren und die Abschaffung des Kündigungsschutzes im Alleingang durchgepaukt.
Der Dienstag dieser Woche war der bisherige Höhepunkt der Anti-CPE-Bewegung und wird sicher Eingang in die französischen Geschichtsbücher finden. Zwischen mehr als einer Million Menschen (Polizeiangabe) und mehr als drei Millionen (Gewerkschaften) demonstrierten im ganzen Land gegen das bereits am Sonntag in Kraft getretene Gesetz. Die Randale, die nach dem Ende der Demonstrationen in Paris, Rennes und andernorts ausbrach und an der mehrere hundert Jugendliche und tausende von PolizistInnen beteiligt waren, konnte diesem Freudenfest nichts anhaben.
Die Slogans, die die meist jungen DemonstrantInnen trugen, waren wie stets fantasievoll. Sie reichten von: „Was ist wichtiger, der Börsenindex oder die Jugend?“ über „Die Randalierer in der Regierung zerstören Schulen, Krankenhäuser und Fabriken. Das lassen wir nicht zu“. Bis hin zu der vorösterlichen Drohung: „Innenminister Sarkozy spielt jetzt den Messias? Dann können wir ihn ja demnächst kreuzigen“. DOROTHEA HAHN