„Wir investieren 71 Milliarden Euro bis 2012“

Die erneuerbaren Energien drängen Öl, Kohle und Gas zurück, sagt Branchenvertreter Johannes Lackmann

taz: Die Erneuerbare-Energien-Branche hat auf dem Energiegipfel Investitionen von 40 Milliarden Euro angekündigt. Was verbirgt sich dahinter?

Johannes Lackmann: Zunächst: Diese 40 Milliarden beziehen sich nur auf den Strombereich. Werden die Bereiche Wärme und Kraftstoffe noch dazugerechnet, investiert die Branche 71 Milliarden Euro bis 2012. Allein im Stromsektor investieren die Erneuerbaren schon heute mehr, als die Fossilen ankündigen.

Auch Sie kündigen bloß an! Wie kommen Sie auf die gewaltige Summe von 40 Milliarden?

Bis 2012 ist erklärtes Ziel der Branche, 19.000 Megawatt Leistung neu ans Stromnetz zu nehmen. Windstrom bietet mit 9.700 Megawatt daran nach wie vor den Mammut-Anteil – 13 Milliarden. Solarstrom soll um 5.000 Megawatt ausgebaut werden – was 15 Milliarden kosten wird. Deutlich mehr zur Stromerzeugung wird künftig Biomasse mit 4.000 Megawatt beitragen. Dafür sind 10 Milliarden Investition veranschlagt. Den Rest liefern Wasserkraft und Geothermie.

Wie gesagt: Ankündigungen! Worauf basieren die?

Auf Fakten: Die Windbranche hat beispielsweise im letzten Jahr über 2 Milliarden Euro neu investiert. Wenn sie diesen Pfad weiter gehen kann, kommt man auf sogar 15 Milliarden bis 2012. Im Klartext: Unsere Daten sind konservative Mindesterwartungen.

Wer bezahlt das?

Jedes Kraftwerk – egal ob konventionell oder erneuerbar – finanziert sich durch den Verkauf von Strom. Der Unterschied: Bei den Erneuerbaren fallen nur Kraftwerkskosten an, bei den Konventionellen kommen zunehmend teurere Brennstoffkosten dazu. Und die gehen ins Ausland.

Was muss passieren, damit Ihre Prognosen eintreffen?

Im Grunde nicht so viel: Die großen Konzerne müssen den Zugang zu ihren Stromnetzen verbessern, Netzengpässe abbauen. Dazu brauchen wir aber keine neuen Gesetze: Die Pflicht des Netzausbaus steht schon im Gesetz, der Vollzug leidet. Zweitens darf die Evaluierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht wieder zur Bestandsdebatte werden. Es ist sinnvoll, alle vier Jahre die Fördersätze zu überprüfen – und wir sind sehr dafür. In der Vergangenheit führte das aber zur Grundsatzdebatte – und das hat Investoren natürlich abgeschreckt. Und schließlich gibt es drittens zunehmende Restriktionen im Bereich des Bau- und Planungsrechts. Das darf nicht unzumutbar werden.

Nun hat der Energiegipfel eine ganze Reihe Signale gesendet. Welches ist aus Ihrer Sicht das wichtigste?

Wichtigste Botschaft ist, dass ab sofort politisch unstrittig ist, dass der Hauptinvestitionsschwerpunkt auf den Erneuerbaren liegt und nicht mehr bei den Fossilen. Klassische Brennstoffe werden zurückgedrängt.

Welches Signal fehlte aus Ihrer Sicht auf dem Gipfel?

Der Gipfel war ein Strom-Gipfel – kein Energiegipfel. In den Bereichen Wärme und Kraftstoffe muss mehr kommen. Gefehlt hat auch: Energieeffizienz. Die Diskrepanz zwischen dem gesellschaftlichen Konsens zu mehr Effizienz und der Weigerung der Politik, konkrete Maßnahmen einzuleiten, ist unglaublich.

INTERVIEW: NICK REIMER