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Das Internet geht nicht mehr weg

Auf re:publica diskutiert die deutsche und internationale Netzszene – zumeist über Themen, die nicht nur für Nerds von Belang sind

„Die Szene trifft sich – das sagt doch auch keiner über den Ärztetag!“

THOMAS KNÜWER, BLOGGER

AUS BERLIN MEIKE LAAF

„Als wir vor vier Jahren gestartet sind, dachten viele, das Internet würde wieder weggehen“, sagt Markus Beckedahl, Gründer und Organisator der re:publica. „Und jetzt ist es immer noch da“, fügt er hinzu und grinst. Grund zum Freuen hat der 33-Jährige allemal, ist doch seine re:publica, die noch bis Freitag in Berlin läuft, zu einem der wichtigsten Netztreffen in Deutschland avanciert.

Diesmal sind 2.500 Besucher gekommen. Internationale Szenegrößen wie der US-Autor Jeff Jarvis, der mit seinen Arbeiten zu Google bekannt geworden ist, der New Yorker Professor Tim Wu und der ehemalige Sprecher von Piratebay, Peter Sunde, schlendern neben unbekannten deutschen Bloggern über die Flure des Berliner Friedrichstadtpalastes.

Größer ist die Konferenz über die Jahre geworden, sie genießt mehr Beachtung und wird üppiger gesponsert. Von Google etwa, von IBM oder Kodak. In ihren ersten Jahren war die re:publica vor allem eine Bloggerkonferenz; ein Treffen, auf dem die Angehörigen der deutschen Blogosphäre miteinander ins Gespräch kamen. Anfangs redete man darüber, ob man die klassischen Medienblogs ernster nehmen sollte, über Vorratsdatenspeicherung, über die Zukunft sozialer Netzwerke. Darum wurde die re:publica von vielen als Szenetreffen abgetan.

Datenschutz – dafür oder dagegen?

„Wir waren am Anfang selbstreferenziell“, gibt Beckedahl zu. Und verweist nun stolz darauf, dass sich das geändert habe und in diesem Jahr Referenten aus über 30 Ländern auftreten würden. Auch das Themenspektrum der Konferenz und der 165 angemeldeten Veranstaltungen ist in diesem Jahr noch einmal größer geworden. Eine ganze Reihe von Panels widmen sich dem sperrigen Thema Netzneutralität. Experten aus den USA und Europa sprechen über das Anti-Piraterie-Abkommen Acta, es geht um die Pläne der EU, Three-Strikes-Maßnahmen gegen Filesharer zu etablieren, um das Überprüfen von Datenpaketen auf ihre Inhalte und natürlich um Meinungsfreiheit.

Dieses Thema spielt eine große Rolle auf der re:publica: Twittern im Iran, googeln in China, bloggen in Weißrussland – die re:publica bietet auch den Netzaktivisten ein Forum, die aus Ländern kommen, in denen es mit der freien Meinungsäußerung nicht sehr weit her ist, umso mehr aber mit Zensur und Repressionen.

Auf einigen Panels wird für Privatheit und Datenschutz gestritten, auf anderen argumentiert, es sei asozial, persönliche Daten für sich zu behalten. Oder man solle möglichst viele Privatdaten publizieren, um unangreifbar zu werden. Und immer wieder geht es darum, wie staatliche Daten offengelegt werden können, um mehr Transparenz herzustellen.

„Netzthemen wirken inzwischen stärker in die Gesellschaft hinein“, sagt Veranstalter Beckedahl, wenn man ihn nach einer Erklärung fragt, warum die re:publica heute auch über netzaffine Kreise hinaus immer mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Am ersten Tag wurde ein Referent gefeiert, den kaum einer für einen Starredner gehalten hätte: Peter Kruse, Professor für Organisationspsychologie in Bremen. Er sprach über den Einfluss von Netzwerken auf Politik und Gesellschaft, präsentierte seine Studie, die zu dem Befund kommt, dass die Wertschätzung des Web 2.0 und seiner Kommunikationsmöglichkeiten sich fundamental unterscheiden – je nachdem, ob man das Netz nur nutzt oder es aktiv gestaltet.

Dieser Vortrag habe ihm einen „intellektuellen Kick gegeben“, sagt der Unternehmensberater, Blogger und ehemalige Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer. „Kruse hat da etwas präsentiert, was man immer schon wahrnimmt. Aber jetzt kann ich Unternehmen gegenüber auch sagen: Dazu gibt es auch eine Studie.“ Knüwer ist zum vierten Mal auf der re:publica. Er kommt gern, weil es hier Netzpolitisches, Vorträge über ausländischen Aktivismus gibt, anders als auf anderen, stärker wirtschaftlich orientierten Netzkonferenzen.

Web 2.0 jetzt mit Studie!

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit der Konferenz in Netzkreisen: Trotz großer Namen und der Fülle der Veranstaltungen hat die re:publica sich ihren lockeren Charme erhalten können. So duzt man sich weiterhin auf den Gängen, quatscht völlig Unbekannte von der Seite an. Und und es gibt wundervoll alberne Veranstaltungen wie „Twitterlesungen“ und Vorträge mit Titeln wie „Wie man im Internet nichts lernt“. Außerdem gibt es auf der ausufernden Konferenz auch Raum für Spezialthemen wie digitales Lernen in der Schule oder Veranstaltungen zu Modeblogs und Augmented Reality Games, also Spiele, die reale und digitale Welt miteinander verschmelzen lassen.

Doch schon am ersten Konferenztag wurde auch Murren laut: Es wurde darüber gemosert, dass eine Veranstaltung über Bezahlinhalte im Netz sich zur Firmenpräsentation eines Werbevermarkters auswuchs. Unternehmensberater Knüwer sieht den Umgang mit den Konferenzsponsoren allerdings pragmatisch: „Es gibt Sponsoren, die kreativ mit Gesprächsmöglichkeiten umgehen, andere nicht“, findet er.

Von der re:publica als Nabelschau der Szene will allerdings auch Knüwer nicht sprechen. Ihn nervt diese mediale Darstellung. „Die Szene trifft sich – das sagt doch auch keiner über den Ärztetag!“

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