: „Die müssen gemeinsame Projekte finden“
EU-Spitzengrüner Daniel Cohn-Bendit fordert von Schwarz-Grün, die Metropolen-Bürger „positiv zu überraschen“
taz: Herr Cohn-Bendit, in Ihrer Heimatstadt Frankfurt beginnen schwarz-grüne Koalitionsverhandlungen. Eine Chance für einen neuen großstädtischen Hedonismus mit ökologischem Anspruch?
Daniel Cohn-Bendit: Das wird man sehen. So hedonistisch ist die Frankfurter CDU nicht. Das ist großstädtisches Bürgertum.
Und die Grünen-Wähler?
Sozial-ökologisches Metropolenbürgertum.
Geht das zusammen?
Die große Frage ist: Wie können beide sich politisch neu finden? Wenn man das CDU-Programm nimmt und das der Grünen, dann wird es nicht funktionieren.
Beim Flughafenausbau wird eine Einigung schwierig.
Nein, die müssen jetzt zwei, drei gemeinsame Projekte finden, mit denen das großstädtische Bürgertum von Frankfurt positiv überrascht wird. Das ist die Herausforderung.
Was sagt uns die Entwicklung über die SPD?
Die Frankfurter SPD ist seit langem in einem schwierigen Zustand. Sie ist heute weder links noch sozialdemokratisch, sondern nur orientierungslos.
Was ist anders als 2001, als die Grünen gegen Schwarz-Grün votierten?
Wir hatten fünf Jahre Lähmung in Frankfurt. Die Hardliner haben erlebt, dass ein Vierer-Bündnis aus CDU, SPD, FDP und den Grünen nicht funktioniert. Trotzdem: Sowohl die Grünen als auch die CDU müssen auch ihre skeptischen Wähler mitnehmen. Schwarz-Grün ist ein Abenteuer. Das ist noch nicht gewonnen.
Was ist die entscheidende soziogesellschaftliche Differenz zwischen Schwarz und Grün?
Die Frage ist: Kann man die Sicherheitsbedürfnisse der CDU-Wähler und die Ängste der Grünen-Wähler vor Rassismus, kann man diese Vorstellungen zusammenbringen? Das ist die Frankfurter Herausforderung.
Die Grünen wollen eine „radikale Mitte“ sein, wie darf man sich das denn vorstellen?
Ich warne vor Definitionen im Voraus. Entweder kommt eine Bewegung in beiden Parteien heraus, und zwar aufeinander zu. Oder es gibt nur Formelkompromisse. Dann wird es elend langweilig. Aber die letzten rot-grünen Erfahrungen waren auch nicht besonders gut. Die geistige Beweglichkeit dieser Konstellation war beschränkt, und das lag nicht an den Grünen. INTERVIEW: PETER UNFRIED