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Archiv-Artikel

Exguerillera mit Rückgrat

„Ich bin eine harte Frau, umgeben von soften Ministern“

Dilma Rousseff ist das erste Staatsoberhaupt, das auf die NSA-Spionageaffäre nicht nur mit entrüsteten Worten reagiert. Mit der Absage ihres Besuchs in Washington zeigt Brasiliens Präsidentin Rückgrat und geht das Risiko ein, eine Eiszeit in den bilateralen Beziehungen zu provozieren. Zugleich weiß sie, dass ihre kalte Schulter gegenüber Barack Obama von vielen Landsleuten und den Partnerländern in der Region mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wird – als Zeichen, dass das Land den USA international Paroli bietet.

Wie ihr Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva, der Brasilien acht Jahre lang regierte, setzt Rousseff auf eine unabhängige, auf regionale Integration ausgerichtete Außenpolitik. Doch sie gilt als pragmatische Politikerin, die ohne starke Worte die stets leicht angespannten Beziehungen zum großen Nachbarn im Norden wieder ins Lot brachte. Offenbar hat die angebliche Überwachung ihrer persönlichen Gespräche sowie die des wichtigen Ölkonzerns Petrobras aber einen empfindlichen Nerv getroffen.

Rousseff gehört wie Lula der Arbeiterpartei PT an, die als linke Kraft im Kampf gegen die Militärdiktatur entstand und sich mittlerweile als reformorientierte Regierungspartei etabliert hat. Unter Lula war sie zuerst Energieministerin, später Staatsministerin und verantwortlich für den rasanten Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur.

Nach dem Militärputsch 1964 war sie im Widerstand als Guerillera aktiv. Ab 1970 war sie fast drei Jahre lang in Haft und wurde gefoltert. Heute zählt die 65-Jährige zu den einflussreichsten Frauen der Welt. Sie war zweimal verheiratet und hat eine Tochter.

Die erste Präsidentin Brasiliens bezeichnen manche als aggressiv, auch im Umgang mit eigenen Ministern, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt. „Ich bin eine harte Frau, umgeben von soften Ministern“, sagte sie einst. „Kritisiert werde ich nicht wegen meiner Härte, sondern weil ich eine Frau bin.“

Feministische Positionen vertritt Rousseff nicht, zum Erhalt ihrer Koalitionsregierung kam sie schnell den evangelikalen Parteien beim Thema Abtreibung entgegen. Auch bei der schleppenden Aufarbeitung der Diktatur hatten sich viele mehr von der ehemaligen Aktivistin versprochen. Doch immerhin schuf Rousseff vor knapp zwei erstmals Jahren eine Wahrheitskommission – ein kleiner pragmatischer Schritt, den ihr die machtvollen Militärs bis heute nachtragen. ANDREAS BEHN