: „Wir machen Alltagswissen öffentlich“
LEBENSSTIL Alexa Färber ist die Sprecherin der Forschungsinitiative „Low-Budget-Urbanität“ an der Hafencity- Universität Hamburg. Sie versucht herauszufinden, wie Sparen das Leben in der Stadt verändert
■ 44, ist Europäische Ethnologin und Islamwissenschaftlerin. Sie hat an der Humboldt-Universität Berlin zu Fragen ethnischer Repräsentation und urbaner Kultur gearbeitet. Ihr Interesse gilt der Verbindung von stadtanthropologischen Fragestellungen, der Akteur-Netzwerk-Theorie und der Entwicklung eines Konzepts der „Greifbarkeit der Stadt“.
taz: Frau Färber, städtisches Leben unter Spar-Bedingungen: Was interessiert Sie daran?
Alexa Färber: In der Forschungsinitiative Low-Budget-Urbanität geht es um Alltagspraktiken des Sparens, die zu einer bestimmten Form von Urbanität beitragen. Das heißt, wir untersuchen, wie das Sparen der BürgerInnen im Alltag sich unter dem Druck von kommunalen Einsparungen verändert.
Welche Tendenzen gibt es?
Wir können zum Beispiel in der Forschung zu Mitfahrformaten feststellen, dass aus unterschiedlichen Gründen gespart wird. Das geschieht einerseits aus Zwang, weil kein Geld für individuelle Mobilität vorhanden ist und andererseits vor dem Hintergrund ethischer Überlegungen, wie dem Wunsch Ressourcen sparen zu wollen. Durch den Einsatz sozialer Medien verwischen die Grenzen zwischen diesen Motivationen.
Lässt sich dieses Modell auch auf eine reiche Metropole wie Hamburg übertragen?
Auffällig ist zum Beispiel, dass es zwischen Hamburg und Kiel eine große Aktivität im Bereich der Mitfahrgelegenheiten gibt. Das lässt keine direkten Rückschlüsse darauf zu, dass Mieten in Hamburg nicht erschwinglich sind. Aber es zeigt, dass Menschen, die außerhalb der Stadt wohnen und in Hamburg arbeiten, das Pendeln finanziell möglichst günstig halten wollen.
Gilt diese Feststellung auch für den Konsum, etwa bei Nahrungsmitteln?
Wir hatten erst kürzlich in einer Tagung einige Projekte zu Wiederverwertung und Weitergabe von Nahrungsmitteln. Das Phänomen des „Dumpster Diving“ versucht beispielsweise die Verschwendung und die hohen Preise von Nahrungsmitteln durch die Weiterverwertung aufzugreifen. Das ist etwas, das wir gerade in größeren Städten beobachten und das auch in Hamburg weit verbreitet ist. Soziale Medien spielen bei der Verbreitung eine große Rolle. So werden Nahrungsmittel, die selbst nicht verbraucht werden, in den Netzwerken angeboten.
Ist dieses Sparen ein Trend oder eine Notwendigkeit?
Das ist schwer zu beurteilen. Das müssen wir differenziert von Fall zu Fall untersuchen und schauen: Wann ist Zwang der Auslöser und wann reden wir von einem ethischen Verständnis des Ressourcensparens und einer globalen Verantwortlichkeit?
Könnte sich der Trend des Ressourcensparens nicht schnell wieder umkehren, wenn die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht mehr spürbar sind?
Diese Themen bekommen durch die Krise eine besondere Aufmerksamkeit. Daher können sie auch nachhaltig das Denken beeinflussen. Zumindest hoffe ich das. Auch die Entwicklung der Technologie beeinflusst diese Trends und es ist schwer vorherzusehen, welche Möglichkeiten es in zehn Jahren geben wird.
Was können die Konsequenzen ihrer Arbeit sein?
Wir machen mit unseren Forschungen Alltagsexpertenwissen öffentlich. Mein Wunsch wäre es, dass dieses Expertenwissen Anerkennung erfährt und in Politik einfließt.
INTERVIEW DOMINIK BRÜCK