: Haben Sie noch Lust auf Merkel?
EUROPA Die Kanzlerin ist auch im Ausland beliebt und umstritten. Die einen bewundern ihre Standhaftigkeit, die anderen kritisieren ihre rigorose Sparpolitik
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Ja
Michael Spindelegger, 53, ist ÖVP-Politiker, Außenminister und Vizekanzler Österreichs
Four more years! Kein Zweifel: Angela Merkel wird Kanzlerin bleiben. Ich sage Ihnen vier Gründe, warum Deutschland und Europa weitere vier Jahre Merkel brauchen. Erstens: Ihr Kurs steht für Reformen und Sicherheit. Zweitens: Keine neuen Steuern, da hält sie Wort. Drittens: Neue Arbeitsplätze – sie weiß, nicht Überschriften, sondern der Schulterschluss mit der Wirtschaft schafft neue Jobs. Viertens: Sie bleibt ihren Grundwerten treu, auch in schwierigen Zeiten. Das hat Charme. Merkels Kurs verspricht Erfolg, vor allem für ein starkes Europa. Sie steht für eine starke Wirtschaft und eine Perspektive für alle Leistungswilligen. Angela Merkel ist den Herausforderungen ihrer Amtszeit smart und tough begegnet. Sie war hart, als es um das Kämpfen für die eigenen Bürger ging, und hat sich über die Landesgrenzen einen tadellosen Ruf erarbeitet. Eine Stimme für Angela Merkel bringt mehr Wachstum, neue Arbeitsplätze und keine neuen Steuern.
Richard Norton-Taylor, 69, ist Journalist beim „Guardian“ und Dramatiker
Von allen mir bekannten deutschen Führungspersonen ist Angela Merkel als Christdemokratin eine der ansprechenderen. Ich schätze auch einige andere, insbesondere Willy Brandt und bis zu einem gewissen Grad auch Helmut Schmidt. Zwar gehöre ich eher dem linken Flügel an, dennoch halte ich Angela Merkel für eine gute Leitfigur und ein Aushängeschild für die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat sich in der Euro-Krise ziemlich gut geschlagen angesichts der vielen Provokationen aus dem linken und auch dem ganz rechten Flügel Griechenlands und der komischen sozialistischen Regierung Frankreichs. Wie die meisten Briten respektiere ich Angela Merkel und ihre innere Bestimmtheit, die von einem ziemlich knuddeligen Äußeren umgeben ist.
Christo Bakalski, 59, lebt in Sofia und ist Filmregisseur und -produzent
Aus bulgarischer Sicht ist Frau Merkel eine gute Kanzlerin. Sie ist friedliebend. Sie kann mit komplizierten ehrgeizigen Herren in der Politik gut umgehen – sowohl im Westen als auch im Osten. Sie ist eine Meisterin der Kommunikation. Deutschland steht im internationalen Vergleich wirtschaftlich nicht schlecht da. Frau Merkel hat die AKW stillgelegt. Sie lässt sich von ökologischen Argumenten beeindrucken. Wenn nötig, könnte sie wohl mit allen demokratischen Parteien koalieren – auch mit den Grünen.
Viorel Achim, 52, arbeitet beim Institut für Geschichte „Nicolae Iorga“ in Bukarest
Die Wähler werden durch ihre Stimmen eine erfolgreiche Regierungszeit auszeichnen und Frau Merkel höchstwahrscheinlich wieder als Bundeskanzlerin bestätigen. Das ist von großer Bedeutung für den europäischen Aufbau. Die Wirtschaftskrise hat uns die Zerbrechlichkeit Europas vor Augen geführt und die Notwendigkeit der Festigung Europas in den Vordergrund gerückt. Gerade in Zeiten der Reaktivierung alter Gegensätze zwischen Ost und West sowie des zunehmenden Nord-Süd-Gefälles entstehen neue Barrieren, die sich vor einigen Jahren kaum jemand ausmalen konnte. Eine zukünftige Merkel-Regierung schafft die notwendigen Voraussetzungen zur konsequenten Fortsetzung einer europäischen Integrationspolitik. Eine Wiederwahl von Frau Merkel hätte somit eine positive Signalwirkung für ganz Europa. Dies entspräche auch dem Wunsch der Europäer, den politischen Integrationsprozess fortzusetzen. Eine Garantie dafür bietet gerade die Kontinuität einer von Angela Merkel geführten deutschen Regierung.
Nein
Valeria Fedeli, 64, ist seit März 2013 Vizepräsidentin des italienischen Senats
Die rigorose Europapolitik Deutschlands hat nicht die erhofften Resultate gezeitigt. Jetzt muss eine neue Wachstumspolitik folgen. Reformen müssen mit nachhaltiger Entwicklung, Investitionen in die Industrie und in die Schaffung von Arbeitsplätzen einhergehen. Deshalb halte ich staatenübergreifend einen Strategiewechsel – wie wir ihn in Italien anstreben – für sinnvoll. Und ich glaube, dass deshalb eine Ablösung Angela Merkels durch die Opposition nicht bloß für Deutschland, sondern auch für einen Agendawechsel in Europa positiv sein kann.
José Bové, 60, war „Bauernrebell“ und ist französischer EU-Abgeordneter
Angela Merkel ist sicherlich keine Antieuropäerin. Aber ihr fehlt die spürbare Liebe zur europäischen Idee. Mit ihrer einseitigen Sparpolitik, ihrem schulmeisterlichen Auftreten und mit dem Vorschlag, ein exklusives Parlament für die Eurozone einzurichten, hat Merkel die Brüche zwischen den Ländern vertieft. Die wirtschaftliche Abwärtsspirale in den Krisenländern geht weiter. Das europäische Projekt ist in Gefahr, Zweifel an der EU wachsen. Dagegen brauchen wir gemeinsame Ziele statt Renationalisierung. Die EU benötigt Mut zu neuen Schritten, kein drittes Mandat für Merkel!
Jirí Pehe, 57, leitet die New York University in Prag und war Berater Václav Havels
Europa braucht eine deutsche Kanzlerin, die einfallsreich, mutig und risikobereit ist. Das alles ist Angela Merkel nicht. Ihre Vorsicht und ihre Tendenz, mit mutigen Entscheidungen zu zögern, sind ein Grund dafür, dass die EU bei wichtigen Projekten wie der Banken- und Fiskalunion kaum vorangekommen ist, ganz zu schweigen von einer politischen Union. Beides braucht die EU dringend. Obwohl einige Analysten behaupten, Merkel wolle nach den Wahlen endlich EU-Reformen auf den Weg bringen, hat sie in Europa durch ihre Unentschlossenheit viel politisches Kapital verspielt.
Maria Giannakaki, 45, ist Politologin und Linken-Abgeordnete in Athen
Ich bin gegen eine weitere Amtszeit von Angela Merkel, weil ihre Austeritätspolitik Südeuropa in eine Sackgasse manövriert. Die Rezession hat den Süden fest im Griff und die Arbeitslosigkeit erreicht Negativrekorde, die man sich vor einigen Jahren gar nicht hätte vorstellen können. Auch für Deutschland kann dies nichts Gutes heißen, denn auf lange Sicht kann doch kein Land Europas den eigenen Wohlstand aufrechterhalten, während alle Nachbarländer leiden.
Fabio Gándara, 29, Anwalt und Mitgründer der spanischen Democracia Real Ya
Europas Schicksal hängt von dieser Bundestagswahl ab. Merkels Wiederwahl ist das schlechteste aller Szenarien. Nicht die einfachen Bürger tragen die Schuld an der Krise, sondern die großen Banken und die Regierungen. In Spanien wurde die Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt, die uns in den Abgrund gerissen hat, von den deutschen Banken mit angeheizt. Merkels neoliberale Europapolitik wird furchtbare Folgen haben. Sie gefährdet die Exporte, die Deutschland haben wachsen lassen. Sie wird die Erholung der Länder auf ewig hinauszögern. Und sie wird zu Wut führen, die die europäische Integration selbst aufs Spiel setzt.