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Archiv-Artikel

„Wir wollen Wettbewerb“

Die britische Ofcom soll Vorbild für die Zukunft der Medienaufsicht in Deutschland sein. Doch was ist das überhaupt? Ofcom-Vorstand Tim Suter über Aufgaben, Mineralwasser und Regulierungswahn

Die Debatte über die Zukunft der Medien und wie man diese in den Griff bekommen will, dümpelt auf den eingefahrenen Gleisen – wie bei den Mainzer Tagen der Fernsehkritik vergangene Woche – vor sich hin. Das Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik wagte jetzt den Blick über den Tellerrand: Großbritannien könnte wieder einmal Vorbild für Medien-Deutschland sein. Vor allem der 2002 von Tony Blairs Regierung geschaffene Super-Regulator „Office of Communications“, kurz Ofcom.

taz: Herr Suter, in der Debatte, wie Medienaufsicht und -regulierung aussehen soll, heißt es immer wieder, wir brauchen eine deutsche Ofcom. Was genau macht Ofcom eigentlich?

Tim Suter: Wir lizenzieren und regulieren Rundfunk – also Radio und Fernsehen, Telekommunikation und die Zuteilung von Sendefrequenzen für alle Bereiche. Wir sind hier auch Wettbewerbsbehörde. Damit bündeln wir alles, was mit Kommunikation zu tun hat – außer der Presse.

Auch das Internet?

Wir sind für das Internet als Transportmedium, das wiederum Telefonleitungen oder Ähnliches braucht, zuständig. Aber nicht für dessen Inhalt.

Mit der Gründung von Ofcom 2002 wurden verschiedene separate Aufsichtsbehörden in eins gerollt. Fällt Regulieren da aber wirklich leichter?

Ja, es macht Sinn. Wir müssen bald darüber entscheiden, was mit dem Frequenzspektrum passiert, das durch das Umschalten von analoger auf digitale Verbreitung frei wird. Das betrifft den klassischen Rundfunk, aber auch die Frage nach mobilen Netzen, Telefonie, Internet-Fernsehen. Da ist es eine gute Idee, diese Fragen innerhalb einer Aufsichtsbehörde zu klären.

Aber wie entscheiden Sie? Da gibt es doch widersprüchliche Interessen, zum Beispiel zwischen TV-Sendern und Telefongesellschaften.

Unsere Philosophie heißt Wettbewerb. Wir wollen, dass der Markt das regelt, soweit dies möglich ist. Da, wo der Markt keine Lösungen anzubieten hat, gehen wir rein. Unsere erste Frage lautet aber immer: Ist es wirklich nötig, einzugreifen?

Für deutsche Standards klingt das extrem pro-Business.

Das wurde uns vor allem am Anfang unserer Arbeit auch vorgeworfen. Wir müssen die Interessen ausbalancieren. Aber unsere Ausgangsannahme bleibt, dass Wettbewerb einer der besten Mechanismen ist, die Interessen von Konsumenten zu fördern. Denn Wettbewerb führt zu höheren Standards – technisch wie inhaltlich. Und zu mehr Auswahl. Aber wo Wettbewerb allein nicht weiterhilft – wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk –, greifen wir ein.

Dass heißt, Ofcom ist auch für die BBC zuständig?

Da, wo die BBC kommerziell agiert, bei der TV-Produktion, beim Programmverkauf oder mit ihren Verlagen, sind wir am Zug. Die gebührenfinanzierten Programme der BBC fallen allerdings nicht unter diese Wettbewerbsaufsicht. Aber auch hier sind wir – wie bei allen Sendern – für die Einhaltung der Programmgrundsätze zuständig. Den einzigen Bereich, den die BBC noch vollständig selbst reguliert, sind ihre Nachrichten- und Informationsprogramme.

In Deutschland wird aktuell gestritten, wie man mit Kabelfernsehfirmen umgehen soll, die jetzt auch Sender betreiben. Wie halten Sie’s in Großbritannien?

Bei unserer Regulierung geht es nur um das, was beim Nutzer ankommt – also das Programm. Daher ist es auch egal, ob ein Kabelnetzbetreiber eigene TV-Kanäle anbietet. Wir regulieren den Netzbetreiber dann nur in seiner Rolle als Sender.

Und was machen Sie, wenn ein Netzbetreiber dann nur noch seine Kanäle überträgt und das Kabel für Konkurrenten dichtmacht?

Da haben wir zwei Sicherheitsmechanismen: Einmal gibt es wie in Deutschland must carry rules, die festlegen, dass bestimmte Kanäle übertragen werden müssen. Außerdem kann uns die ausgesperrte Konkurrenz als Kartellbehörde anrufen. Wir müssen aber immer auch das wirtschaftliche Interesse der Kabelfirmen sehen. Schließlich haben sie das Netz aufgebaut.

Und wollen entsprechend Geld sehen. Das wollen auch die Finanzinvestoren, die aktuell im britischen wie im deutschen Medienmarkt auf Einkaufstour sind. Wie verträgt sich solch ein Engagement, das auf kurzfristige Gewinne aus ist, langfristig mit so schnöden Dingen wie Programmqualität?

Da haben wir eine etwas andere Ausgangsbasis als die deutsche Medienpolitik. Wir sagen: Wenn ihr euch um Inhalte und Programmqualität sorgt, dann stellt Regeln für Inhalte und Programmqualität auf. Aber versucht nicht, das Problem von Inhalt und Qualität zu lösen, indem ihr euch auf Investment-Fragen oder die Eigentümerstruktur stürzt. Wenn die Sorge besteht, dass beispielsweise TV-Sender nicht die richtige Sorte Programm liefern oder ein bestimmtes Publikum nicht erreichen, muss man eben klare Lizenzauflagen machen: Macht so und so lange Nachrichten, investiert mindestens den Betrag X in unabhängige Produktionen.

In Deutschland geht die Diskussion aber derzeit in genau die andere Richtung.

Ja, aber das ist ein sehr ineffizienter Weg, Medien zu regulieren. Investoren müssen doch wissen, woran sie sind. Nochmal: Man sollte keine Regeln über Beteiligungsverhältnisse aufstellen, wenn das nur ein Vehikel ist, um Inhalte zu regulieren.

Das Aufstellen klarer Regeln fällt in Deutschland eben etwas schwerer: Hier gibt es 15 regionale Landesmedienanstalten, die zuständig sind. Und die ihre eigenen Lizenzauflagen höchst unterschiedlich kontrollieren.

Wir haben ja nicht dieselbe föderale Struktur. Aber es fällt mir schwer zu begreifen, wie man Rundfunk nur auf regionalem Level regulieren soll. Vor allem, wenn man es mit etwas zu tun hat, das per Kabel oder Satellit quasi überall zu empfangen ist, sollte man Regulierung auf der höchstmöglichen Stufe ansiedeln. Bei uns funktioniert das sehr gut auf nationalem Level.

Bevor die Freude darüber zu groß wird: Ofcom-Kritiker wie der ehemalige Guardian -Chefredakteur Peter Preston werfen Ihrem Laden vor, ein mit rund 800 Mitarbeitern überbesetzter Moloch mit Plüschteppichen und Mineralwasserflaschen mit eigenem Label zu sein …

Das mit dem Wasser stimmt. Aber soll ich Ihnen was sagen: Wenn man als Großabnehmer ein eigenes Label hat, kommt einen das am Ende billiger!

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG