: Amtsgericht beobachtet Graswachstum
Zwei Jahre verweht: Eine Klopperei in der Disko Stubu überfordert das Gedächtnis der Zeuginnen
Das erste Problem ist, dass der Geschädigte in Spanien weilt. Dauerhaft. Also wird er zumindest bei diesem Termin nicht wiederholen, dass es Ömer K. war, der ihm im November 2004 auf die Fresse gegeben hat. Und zwar so, dass die Brille in Scherben ging. Die Zeuginnen wiederum werden Mühe haben, sich zu erinnern: Ist ja schon ein Weilchen her. Die Türsteher, sagt die eine, „sehen doch alle gleich aus: Groß, breite Schultern, dunkle Haare“. Die andere gibt zu, sich Gesichter nicht merken zu können. Keiner von beiden hat sich der genaue Hergang tief ins Gedächtnis eingegraben.
Ganz anders ist das bei Ömer, dem Disko-Türsteher. Morgendlich frisch wie aus dem Ei gepellt präsentiert der seine Version der Geschichte im glanzlosen Saal 551 des Amtsgerichts. Auch in ihr tritt Ömer K. als handelnde Figur auf. Aber nicht als Übeltäter. Er und seine Kollegen sind vielmehr wahre Samariter. Den verletzten G. haben sie in seiner Not in den Keller des „Stubu“ geführt, ihm die Rissquetschwunde unterm rechten Auge gereinigt, das Blut gestillt und mit Sicherheit tröstende Worte für seinen beklagenswerten Zustand gefunden.
In diesen versetzt habe G. ein ominöser Gast, der sich möglicherweise mittels eines schwarzen Hemdes als Mitglied des Einlasskontroll-Teams ausgegeben hat, wie Ömer argwöhnt. Einen „Stammgast“ nennt er ihn auch. Der Name? Leider unbekannt. Die Türsteher hätten als Schlichter eingegriffen. Und wie G. darauf kommt dass ausgerechnet er, Ömer, ihn vermöbelt hat, ist geradezu unerklärlich: „Ich weiß es nicht“, sagt der Angeklagte, breitschultrig, weißbehemdet, gut frisiert und 25-jährig. Und macht so große Augen.
Ooch, Ömer. Ein länger schwelender Zwist hätte die Glaubwürdigkeit erhöht. Denn G. ist im Stubu kein Fremder gewesen. Er war, vor der Tat, gelegentlich als Aushilfs-Disc-Jockey beschäftigt. Und bestreitet nicht, dass es sich um eine kleine Klopperei unter Gästen gehandelt habe. „Die tragen eine Art Uniform“, sagt die eine Zeugin, als die Richterin fragt, ob den entscheidenden Schlag vielleicht ein anderer Besucher geführt haben könnte. „Das kann man gut unterscheiden.“ Auch bleibt schleierhaft, weshalb, wie beide Zeuginnen übereinstimmend schildern, die Rausschmeißer kollektiv auf Gäste und Opfer eingeredet haben, von einer Anzeige abzusehen. Weil der Schläger doch eine schwere Kindheit, einen kranken oder gar frisch verstorbenen Verwandten und überhaupt eine schlechte Phase habe: Recht intime Kenntnisse des Privatlebens eines Gastes, dessen Name partout nicht ins Gedächtnis kommen will. Da hätte die Richterin schon mal nachhaken dürfen.
Tut sie aber nicht, der Staatsanwalt auch nicht und der Verteidiger – wozu sollte er: Er hat, wie’s aussieht, alles richtig gemacht: Im August vergangenen Jahres gab’s ohne Verhandlung einen Strafbefehl. Gegen den hat man, natürlich noch innerhalb der gesetzlichen Frist, Einspruch erhoben. Weiter verhandelt wird wohl im Juli. Aber schon jetzt ist, wie es scheint, genügend Gras über die Sache gewachsen, damit die Wahrheit darunter verborgen bleibt. bes