: Spitzen gegen Doppelspitze
Der Freiburger Oberbürgermeister Salomon hat eine neue Debatte über das grüne Führungspersonal angestoßen. Doch die Bundesvorsitzenden wollen sich nicht abschaffen. Die sächsische Fraktionschefin fordert „mehr Verlässlichkeit im Umgang“
VON GEORG LÖWISCH UND PASCAL BEUCKER
Reinhard Bütikofer darf anfangen. Der grüne Parteichef kündigt eine neue Grundsatzdiskussion an, sagt, wie wichtig ökologische Modernisierung und globale Verantwortung sind. Dann ist Chefin Nummer zwei dran, Claudia Roth, die über das „versteinerte Schulsystem“ und „Integration mit Folterinstrumenten“ schimpft. Sie denkt sogar daran, auf das neueste Interview von Renate Künast, Chefin Nummer drei, hinzuweisen, sodass an diesem Montag nur Fritz Kuhn, Chef Nummer vier, ein bisschen hinten runterfällt.
Zwei Partei- und zwei Fraktionschefs – ob es noch nötig und sinnvoll ist, dass die Grünen auf Bundesebene von vier Leuten geführt werden, hatte gestern erstmals ein wichtiger Grünen-Politiker in Frage gestellt. Der Oberbürgermeister Freiburgs, Dieter Salomon, verlangte im taz-Interview ein Ende der Doppelspitzen. Die Abstimmung sei schwierig, die Hierarchien unklar und die Medienaufmerksamkeit reiche nicht für vier Personen. Bisher können sich jedoch nur wenige ein Ende der traditionellen Strukturen vorstellen – am wenigsten die Parteichefs.
„Was Salomon betrifft, ist das vielleicht auf dem Freiburger Rathaus eine Diskussion, aber nicht bei uns“, sagte Bütikofer. Er glaube nicht, dass das die Partei umtreibe. Roth sagte, so etwas müsse auf einem Parteitag beantragt werden. „Bisher sehe ich nicht, dass genügend Unterschriften zusammenkommen.“
Von den 16 Landesverbänden der Grünen werden fast alle von Doppelspitzen geführt. Nur in Hamburg gibt es eine alleinverantwortliche Chefin. Allerdings haben nur zwei von zwölf Landtagsfraktionen Doppelspitzen, in Bayern und in Berlin.
Die alleinige sächsische Fraktionschefin Antje Hermenau sagte gestern der taz, sie könne sich eine Doppelspitze in ihrer Fraktion nicht vorstellen. Eine Veränderung in Bundestag oder Bundespartei wollte sie aber nicht fordern. Dennoch schickte sie auch Kritik nach Berlin: „Wir brauchen in der Grünen-Spitze Wettbewerb und mehr Verlässlichkeit im Umgang miteinander.“ In NRW führt Sylvia Löhrmann die Fraktion schon seit 1999 allein. „Beide Varianten haben ihre Vor-, aber auch ihre Nachteile“, sagte sie: „So oder so: In allen Modellen kommt es auf ein gutes Teamspiel an.“
Der hessische Landeschef Matthias Berninger sagte im ZDF: „Die Grünen sind gut beraten, bei der nächsten Bundestagswahl eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten zu haben.“ Baden-Württembergs Landeschefin Petra Selg rügte Salomon, da er sich zu plakativ geäußert habe. Jedoch sehe sie kein Problem, auf Doppelspitzen zu verzichten. „Ich hätte auch im Bund nichts dagegen, sich auf einen Chef zu beschränken, wenn die Partei es so haben will.“