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Archiv-Artikel

Autonomer Chic auf dem Catwalk

PARODIE Mit einer Modenschau in Pöseldorf betraten Rote-Flora-Aktivisten neues Terrain, um vor einer Räumung ihres Zentrums zu warnen. Pöseldorfer zeigten sich verschreckt von dem autonomen Besuch

Das besetzte autonome Stadtzentrum Rote Flora in der Schanze fühlt sich angesichts der Verkaufsgerüchte an den Consulting-Unternehmer Gerd Baer bedroht. Grund genug für die Rotfloristen, andere Viertel auf etwaige Proteste bei einer Räumung vorzubereiten. Um auch das feine Pöseldorf, dort wo die Reichen und Schönen sich wohlfühlen, zu sensibilisieren, bedurfte es etwas Besonderes – einer Modenschau, sagte sich das Flora-Fashion-Team und bat eine Schwester im Geiste Vivienne Westwood, ihre neue „Riot“-Couture und ihre „Smashing Trends“ für die Saison 2013/ 14 bei einer Performance vorzustellen.

Kein Wunder, dass die autonome Mode-Session in Pöseldorf Panik auslöste. Restaurants hatten ihre Fenster mit Spanplatten verbarrikadiert und das Nachwuchs-Training am Rothenbaum war gecancelt worden. Pöseldorf schien menschenleer, trotz Häppchen und Sekt am Rande des Catwalks, den 600 BesucherInnen säumten. Die Polizei hatte zudem verlangt, Accessoires, die üblicherweise auf reißenden Absatz im Publikum stoßen, nicht während des Events schon anzuziehen. „Vermummt wird sich nur auf dem Laufsteg“, konzedierte der Show-Manager Andreas Blechschmidt.

„Ihr Pöseldorfer habt FDP gewählt und den Trend total verpennt“, kritisierte „Westwood“ zu Beginn der Show, die an ihre Wurzeln in der Pöseldorfer Milchstraße erinnerte. In einer Art historischem Rückblick zeigte die Mode-Designerin, welche Trends sie bei ihrer neuen Kollektion inspiriert haben. „Wenn radikale Umwälzungen bevorstehen, hat dies auch großen Einfluss auf die Mode und den Style der Stadt“, betonte Westwood.

Ob es das martialische Anti-AKW-Demo-Outfit ist – mit Lederjacke, Helm und Palästinensertuch – oder der peacige Friedensbewegung-Labber-Look, alles sei Ausdruck seiner Zeit. Und auch das Rabiate, Punkige stehe für eine Epoche, von der 1980 selbst Pöseldorf etwas zu sehen bekommen hat, als die Bunthaarigen Jagd auf „Popper“ machten und den Penny-Markt entglasten, bis sie sich an die Hansa-Pils-Dosen vorgearbeitet hatten.

„Wichtig ist immer, dass sich an den Hosen große Taschen befinden, in denen nützliche Sachen untergebracht werden können“, kennzeichnete Westwood ihre aktuelle Riot-Couture. Ein besonderes Augenmerk richtet sie auf das feste Schuhwerk, denn Flip-Flops seien bei nassen Straßen durch Wasserwerfer rutschig. Und auch die modische Gasmaske, das habe der Istanbuler Gezi-Park gezeigt, „gehört absolut dazu“, sagt Westwood. Eine Renaissance erlebt bei ihr die Sturmhaube, die von bürgerlichen Modekritikern schon als „Hasskappe“ totgeschrieben schien. Westwoods Fazit nach einer Stunde Modenschau: „Gut gekleidet, ist gut gekämpft.“ KAI VON APPEN