: Ole von Beust in Bedrängnis
Hamburgs Bürgermeister steht unter dem Verdacht des Geheimnisverrats. Er oder seine Mitarbeiter sollen der Bild-Zeitung Auszüge aus einem geheimen Ermittlungsbericht gesteckt haben, um die Glaubwürdigkeit der SPD-Opposition zu erschüttern
Von Sven-Michael Veit
Jetzt gerät der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mächtig unter Druck. Er steht im Verdacht, vertrauliche Unterlagen der ihm gewogenen Bild-Zeitung zugespielt sowie Parlament und Öffentlichkeit getäuscht zu haben. „Er hat gelogen“, wirft der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann dem Regierungschef vor, seine grüne Amtskollegin Christa Goetsch spricht „zumindest von einer Manipulation der öffentlichen Meinung“. Beusts Sprecher Lutz Mohaupt lehnt „gegenwärtig jede weitere Stellungnahme“ ab.
Die Regierung des Stadtstaates hat jetzt offiziell einräumen müssen, dass nur der Bürgermeister selbst oder sein direktes Umfeld für die Lancierung eines unter Verschluss gehaltenen Berichts an das Springer-Blatt in Frage kommen. In dem Bericht geht es um Protokolle, die aus einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss widerrechtlich in den Senat gelangt waren (Text unten). Am 27. März hatte von Beust seinen in die Affäre verstrickten Justizsenator Roger Kusch entlassen, nun steht er selbst im Zentrum des Skandals.
In einer heftigen Debatte in der Bürgerschaft griffen Rote und Grüne den Bürgermeister deshalb gestern Abend scharf an – in dessen Abwesenheit, denn von Beust verließ vorher den Plenarsaal. Es handele sich um eine „offensichtlich parteipolitisch motivierte Weitergabe“, stellte SPD-Fraktionsvize Ingo Egloff fest. Das sei ein „massiver Versuch der Regierung“, Untersuchungen des Parlaments zu behindern. „Dem Treiben des Senats muss Einhalt geboten werden“, forderte Till Steffen (Grüne). Denn auch in diesem Fall, so Steffen, „stinkt der Fisch vom Kopf her.“
Der geheimgehaltene Bericht von Staatsrat Axel Gedaschko, den von Beust als Sonderermittler zur Aufklärung der Affäre eingesetzt hatte, wurde nach Senatsangaben am 20. März nur dem Bürgermeister und dessen Kanzleichef Volkmar Schön vorgelegt, eine dritte Ausfertigung verblieb bei Gedaschko. Dieser übermittelte eine Kopie an die Hamburger Staatsanwaltschaft, die wegen des möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen gegen sieben Behördenmitarbeiter ermittelt.
Dem Parlament wird der Bericht vorenthalten mit der Begründung, er enthalte „schützenswerte Daten“ der betroffenen Mitarbeiter. Zudem dürfe er ja als Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Akten gar nicht öffentlich gemacht werden.
Zwei Tage nach der Entlassung des Justizsenators jedoch veröffentlichte Bild einen Ausriss aus dem Geheimbericht, der heftige Vorwürfe gegen den SPD-Abgeordneten Thomas Böwer enthielt. Der ist Obmann seiner Fraktion in dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die unhaltbaren Zustände im Hamburger Jugendknast Feuerbergstraße aufklären soll. Böwer selbst, so der Vorwurf, habe möglicherweise vertrauliche Unterlagen aus dem Gremium weitergegeben. Der wies das mit einer Eidesstattlichen Erklärung zurück.
Der Bürgermeister persönlich hatte am Tag der Veröffentlichung im Parlament den SPD-Abgeordneten ins Visier genommen. Er habe „heute in einer großen Tageszeitung lesen müssen“, so von Beust, dass offenbar Böwer es mit seiner Pflicht zur Verschwiegenheit nicht so genau nehme. Offensichtlich habe die SPD Geheimnisverrat begangen.
„Scheinheilig“ nennt das nun Böwer. Denn nach dem Teilgeständnis, das der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage ablegte, lag zum damaligen Zeitpunkt der Gedaschko-Bericht nur dem Bürgermeister und seinen Vertrauten vor. Wer ihn dem Springer-Blatt zugespielt hat, ist für Böwer eindeutig: „Der Bürgermeister hat das Papier aus niedrigen politischen Beweggründen weitergegeben“, um dann vor der Bürgerschaft „mit geheuchelter Empörung“ die Opposition des Geheimnisverrats zu beschuldigen.
Dieser Vorgang sei „einfach unterirdisch“, befindet die grüne Fraktionschefin Goetsch. Über eine „Verlogenheit“, die ihn „an Berlusconi“ erinnere, schäumt ihr SPD-Pendant Neumann. Von Beust werde sich vor „schon bald“ vor dem Untersuchungsausschuss verantworten müssen – „nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter“.
Das dämmert offenbar auch von Beusts Sprecher Mohaupt. „Wir sagen jetzt nichts mehr“, gibt er sich zugeknöpft, „mit Rücksicht auf die mögliche Rolle vor dem Untersuchungsausschuss“. Und vor der Staatsanwaltschaft.