Noch eine Schonfrist für Dieselfahrzeuge

Bund und Länder blockierten die Förderung von Rußpartikelfiltern, beklagt die Allianz „Kein Diesel ohne Filter“. Kritik auch an neuen Fahrzeug-Plaketten. 17.000 Todesfälle jährlich wären vermeidbar, wenn die EU-Vorschriften eingehalten würden

Aus Berlin BEATE WILLMS

Umweltverbände werfen Bund und Ländern vor, die Feinstaubbekämpfung zu verschleppen und damit die Gesundheit der Bürger mutwillig aufs Spiel zu setzen. Obgleich die Luft in vielen Städten immer stärker belastet sei, torpedierten die Regierungen die Förderung von Partikelfiltern, sagten gestern Vertreter der Allianz „Kein Diesel ohne Filter“.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass in Deutschland 75.000 Menschen an Atemwegs-, Herz-Kreislauf-Problemen oder Krebs sterben, die durch Feinstaub ausgelöst werden. Rund 17.000 Todesfälle seien vermeidbar, wenn die EU-Feinstaub-Richtlinie eingehalten würde. Nach dieser dürfen an nicht mehr als 35 Tagen im Jahr mehr als 50 Milligramm der Kleinpartikel pro Liter Luft gemessen werden. An 11 Messstellen in Deutschland war die Belastung in diesem Jahr schon an mindestens 36 Tagen zu hoch.

Ein Großteil des Feinstaubs wird durch ungefilterten Ruß aus Dieselfahrzeugen verursacht. SPD und CDU/CSU hatten deshalb in ihrer Koalitionsvereinbarung eine Doppelstrategie festgeschrieben. Sie sollte Anreize für Autofahrer schaffen, auf rußfreie Diesel umzusteigen: Wer nachträglich einen Rußfilter einbaut, soll steuerlich belohnt werden. Zudem sollen Autos nach Schadstoffklassen gekennzeichnet werden. Hintergrund ist, dass viele Städte im Rahmen ihrer Feinstaubbekämpfung Umweltzonen eingerichtet haben, die sie für besonders dreckige Fahrzeuge sperren können.

Das Konzept für die steuerliche Förderung hatte das Bundesfinanzministerium für Mitte März versprochen. Nun heißt es, es handle sich um eine „komplizierte Sache“. Einen neuen Termin gibt es nicht.

Nach Vorstellungen der Umweltverbände soll jeder Autobesitzer, der nachträglich einen geregelten Rußfilter einbaut, ab 1. Juli dieses Jahres 600 Euro bekommen, bei einem ungeregelten Filter würden 300 Euro fließen. Finanziert werden soll dieser Bonus über eine einmalige Malussteuer in Höhe von 600 bis 1.000 Euro für den Kauf von Neu-Dieseln, die mehr als 5 Milligramm Feinstaub pro Kilometer ausstoßen, also die Euro-5-Norm nicht erreichen. Für Diesel-Pkws von Euro 1 bis 4 sollen durchschnittlich 30 Euro jährlich mehr Steuern fällig werden.

Bei der Kennzeichnung der Schadstoffklassen hatte das Bundeskabinett im Februar einstimmig eine Verordnung verabschiedet, die der Bundesrat letzte Woche jedoch überraschend kippte. Ursprünglich sollten alle Fahrzeuge in 5 Klassen eingeteilt werden, die sich an den Euronormen orientieren. Die beste Plakette mit der Ziffer 5 sollte Benzinern mit geregeltem Katalysator, Elektrofahrzeugen und Dieselfahrzeugen mit Rußfiltern vorbehalten sein. Die Länder wollen nun nur noch 3 Plaketten. In der besten Klasse – die nun „Grün“ heißen soll – wären Dieselneuwagen mit und ohne Partikelfilter gleichgestellt. Trotzdem wird die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates wohl übernehmen.