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Archiv-Artikel

Genossen für Scholz

ENERGIENETZ Genossenschaft will dem SPD-Senat helfen, die Netze in Bürgerhand zurückzuholen, sagt Vorstand Matthias Ederhof

Matthias Ederhof

■ 51, Geschäftsführer der Genossenschaft Energienetz Hamburg eG, Diplom-Physiker, Geschäftsführer eines EDV-Unternehmens, Mitglied der Hamburger SPD, Sprecher des Arbeitskreises „Politik in Hamburg zur Energiewende“. Foto: Energienetz Hamburg eG

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Ederhof, warum will sich die Genossenschaft Energienetz Hamburg eG am Stromnetz beteiligen?

Matthias Ederhof: Wir wollen, dass Bürger sich aktiv an der Gestaltung der Energiewende beteiligen können. Zum Zweiten bieten wir dem Hamburger Senat ein Lösungsangebot für die Finanzierung des Rückkaufs des Netzes von Vattenfall an.

Warum nur das Stromnetz? Was ist mit Gas und Fernwärme?

Das Stromnetz ist vordringlich, weil schon bis Januar 2014 eine Interessenbekundung für die Konzession vorliegen muss. Beim Gas- und Fernwärmenetz ist noch länger Zeit.

Haben Sie denn schon nennenswertes Kapital zu bieten?

Wir haben mehr als 50 Millionen Euro haftendes Eigenkapital gesammelt. Das ist eine gute Basis, um die erforderliche Eigenkapitalquote von 40 Prozent des Kaufpreises aufzubringen.

Von welchem Kaufpreis für das Stromnetz gehen Sie aus?

Der dürfte unter 400 Millionen Euro liegen, 40 Prozent wären also etwa 160 Millionen Euro. Davon hat der Senat ja bereits 138 Millionen Euro gezahlt für seinen Anteil von 25,1 Prozent. Wir streben eine Beteiligung zwischen 26 und 49 Prozent an. Die strategische und operative Führung des Unternehmens soll bei der Stadt als Mehrheitseigentümer bleiben.

Aber wenn der Senat für das erste Viertel 138 Millionen gezahlt hat, müsste der Gesamtpreis 552 Millionen betragen – nicht 400?

Der Senat hat 2011 eine Unternehmensbeteiligung erworben, nicht eine Netzbeteiligung. Das ist ein Unterschied, der sich auch im Kaufpreis widerspiegelt. Im Übrigen kann der Kaufpreis nur maximal derjenige sein, den die Bundesnetzagentur als angemessen akzeptiert. Studien, die Netzübertragungen untersucht haben, kommen zu dem Ergebnis, dass alle einvernehmlich ausgehandelten Kaufpreise deutlich überhöht sind. Deshalb ist auch im Interesse der Steuerzahler ein transparentes, von Gutachtern begleitetes Verfahren notwendig.

Dann kostet der Rückkauf aller drei Netze nicht, wie von Bürgermeister Olaf Scholz behauptet, über zwei Milliarden Euro?

Nein, deutlich weniger.

Der Senat will zunächst über den Kauf der restlichen drei Viertel mit Vattenfall sprechen. Das wäre ein weiterer Unternehmenskauf und eben kein Netzkauf im Sinne der Konzessionsneuvergabe. Das birgt enorme Risiken für den Steuerzahler, da das Verfahren nicht transparent abläuft und mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich überhöhte Kaufpreise ergeben wird.

Und wenn der Bürgermeister sich mit Vattenfall auf einen Preis einigt, den Sie für überhöht halten? Ist die Genossenschaft dann aus dem Spiel?

Ja, aber aus unserer Sicht muss es für die Ermittlung des Kaufpreises ein transparentes und nachprüfbares Verfahren geben, ohne Zurückhaltung der wesentlichen Kalkulations- und Bewertungsgrundlagen. Auch wir als Genossenschaft müssen das im Sinne unserer Mitglieder selbstverständlich prüfen können, bevor wir uns beteiligen.

Laut Volksentscheid soll es eine vollständige Rekommunalisierung geben. Wenn sich jetzt eine Genossenschaft mit dem Geld von Privatleuten beteiligt, läuft das doch dem Sinn des Volksentscheids zuwider.

Der Volksentscheid fordert die Überführung der Netze in die öffentliche Hand und die Demokratisierung der Energieversorgung. Solange die Stadt den beherrschenden Einfluss behält, bewegt sich die Umsetzung gemeinsam mit einer finanziellen Bürgerbeteiligung nicht nur im Rahmen des Volksentscheids, sondern sie setzt die inhaltliche Vorgabe der Demokratisierung konkret um.

Also Kommunalisierung in Reinkultur?

Die Gretchenfrage ist, ob der Senat die Bürger am Tisch als Bereicherung oder eher als Störung empfindet. Mag heute noch die Skepsis überwiegen – sobald die Vorteile erkannt sind, wird Hamburg ein Vorzeigemodell für kommunale und zivilgesellschaftliche Partnerschaft bei der gemeinsamen Umsetzung der Energiewende sein. Das ist ein lohnendes Ziel.

Aber die Genossenschaftsmitglieder wollen auch Rendite sehen, oder?

Sie wollen vor allem eine gute Sache im Sinne der Gesamtgesellschaft unterstützen. Die Chance auf eine gewisse Rendite macht das natürlich noch attraktiver, das stimmt.

Haben Sie schon einen Gesprächstermin mit Bürgermeister Olaf Scholz?

Wir wollen jetzt erst einmal allen Zeit geben, sich zu sortieren nach dem Wahltag. Für baldige Gespräche steht die Energienetz Hamburg natürlich bereit.

Vollständige Fassung des Interviews auf www.taz.de/nord