Gefahr für kritische Biografien?

Rechtsanwalt Christian Schertz zum Klageboom bei Sachbüchern und den juristischen Spielräumen der Prominenten

taz: Herr Schertz, in jüngster Zeit sind mehrere Biografien vom Markt genommen worden, weil Sie als Anwalt dagegen vorgegangen sind. Das betrifft Bände über Che Guevaras Kampfgefährtin Tamara Bunke, Herbert Grönemeyer oder Rio Reiser. Was ist das Problem?

Christian Schertz: Es dreht sich immer um das Gleiche: unwahre Tatsachenbehauptungen und Verletzung der Privat- oder Intimsphäre. Bücher werden in dieser Hinsicht genauso beurteilt wie die Presse: Das Persönlichkeitsrecht der dargestellten Personen muss in jedem Fall respektiert werden.

Warum aber jetzt dieser Anstieg an juristischen Auseinandersetzungen?

Der Markt an Biografien boomt. Manche Verlage wollen mit schnellen Werken daran partizipieren und verwenden einfach nicht die notwendige Sorgfaltspflicht für eine gewissenhafte Recherche. Die Betroffenen bzw. die Erben werden nicht immer befragt, man schöpft aus ungeprüften Zweitquellen. Wir Anwälte werden hinterher dann schnell zu „Bücherverbrennern“ abgestempelt. Wir können jedoch gar keine Bücher verbieten, nur die Verbreitung einzelner Unwahrheiten untersagen lassen. Es ist dann Sache des Verlages, ob er die betreffende Stelle schwärzt, sie zur Nachauflage korrigiert oder das Buch vom Markt nimmt.

Bei der Fülle von Einzelfakten, die eine Biografie enthält, gibt es immer Angriffsflächen. Soll über diese Verfahren nicht auch Kritik unterbunden werden?

Kritik im Sinne von Meinungsäußerung, als Auseinandersetzung mit Werk und Wirken einer Person, ist hochwillkommen und kann nach deutschem Recht gar nicht verboten werden. Allerdings müssen zunächst die der Wertung zugrunde liegenden Fakten richtig dargestellt werden. Nur hierum geht es, nicht um randständige Details, sondern um Daten, die das Lebensbild verzerren können. Verlage haben bei dicken Büchern natürlich umfassendere Recherchepflichten als eine Tageszeitung für einen kurzen Artikel. Davon kann man die Verleger nicht befreien.

INTERVIEW: CHRISTOPH LINKS

Das Gespräch führte Christoph Links, in dessen Verlag gerade eine kritische Biografie über den Plastinator Gunther von Hagens erschienen ist

Hinweis: CHRISTIAN SCHERTZ, Jahrgang 1966, ist Rechtsanwalt und Experte für Medienrecht. Er lebt in Berlin.