: „Die Gewerkschaft war nicht vorbereitet“
Der Hamburger Ver.di-Vorstand Schuckart kritisiert die Strategie des eigenen Verbandes im aktuellen Tarifkonflikt
BERLIN taz ■ Im öffentlichen Dienst wird seit mehr als neun Wochen gestreikt. Angesichts der mageren Ergebnisse erscheint der Einsatz der streikenden Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di aber alles andere als angemessen.
Dieser Ansicht ist auch Berno Schuckart, Mitglied im Ver.di-Vorstand Hamburg. „Ver.di ist sehendes Auges in den Arbeitskampf hineingestolpert und war auf den Konflikt nicht vorbereitet.“ Man sei auf Gewerkschaftsseite immer noch auf Sozialpartnerschaft „gepolt“ gewesen und von der Unnachgiebigkeit der Arbeitgeber überrascht worden. Die Arbeitgeberseite sei wider Erwarten nicht bereit gewesen, auf die Forderungen einzugehen.
In den Ländern wird nach wie vor gestreikt, in den Kommunen Baden-Württembergs und Niedersachsens sowie in Hamburg sei ein Abschluss von 39 Stunden beziehungsweise knapp unter 39 Wochenstunden erreicht worden. Weder habe die Gewerkschaft das angestrebte Ziel erreicht, die 38,5-Stunden-Woche zu erhalten, noch hätten die Arbeitgeber ihr Ziel einer 40-Stunden-Woche erreicht. Ein klassisches Unentschieden, sagt Schuckart.
Der Arbeitskampf werde öffentlich kaum wahrgenommen. Ver.di informiere zwar gut, werde von einem Großteil der Medien aber regelrecht boykottiert. Man wolle von Arbeitgeberseite den Gewerkschaften eine schwere Niederlage verpassen.
Es gehe in dieser Auseinandersetzung nicht um einen klassischen Tarifkonflikt, sondern darum, im öffentlichen Dienst Arbeitsplätze mit vernünftig ausgebildetem und vernünftig bezahltem Personal zu erhalten. Dieses Ziel verfolge die Gewerkschaft unbeirrt, das werde sie auch durchziehen.
Es wäre gut, so Schuckardt, wenn die Sozialverbände oder etwa Attac sich mit Ver.di stärker solidarisierten. Vielleicht liegt hier der wirkliche Grund der unterschiedlichen Wahrnehmung. Auf die Frage, ob dies vielleicht mit der komfortablen Situation mit sicheren Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst zurückzuführen sei, entgegnet Schuckart, auch hier seien die Arbeitsplätze bedroht und man stehe teilweise kurz vor betriebsbedingten Kündigungen. Durch den Arbeitskampf wolle man auch die Privatisierung des öffentlichen Dienstes verhindern. LUDGER CLASSEN
Hinweis: LUDGER CLASSEN, 53, leitet den Klartext-Verlag in der künftigen Kulturhauptstadt Essen. Vor zwanzig Jahren ist er aus der ÖTV ausgetreten.