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Archiv-Artikel

Die Invasion der Plastikbären

140 so genannte Buddybären sollen während der WM rund um das Mahnmal für die Bücherverbrennung stehen. Kulturpolitiker sind parteiübergreifend entsetzt

VON NINA APIN

Berlin steht eine Masseninvasion seines Wappentiers bevor. Rund 140 bunt bemalte, mannshohe Plastikbären sollen während der Fußballweltmeisterschaft in einem Kreis auf dem Bebelplatz stehen. Die „United Buddy Bears“ repräsentieren Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und sollen Hand in Hand für Völkerverständigung werben.

Fast drei Jahre reisten die von internationalen Künstlern gestalteten Bären unter dem Motto „Wir müssen uns besser kennen lernen, dann können wir uns besser verstehen, mehr vertrauen und besser zusammenleben“ als kostenlose Freiluftausstellung um die Welt, zuletzt standen sie in Sydney. Vom 15. Juni bis zum 31. Juli sollen sie dann auf dem Bebelplatz in Mitte zu sehen sein. Das Berliner Ehepaar Eva und Klaus Herlitz, Erfinder der Buddy Bears, will mit dem Event „eine Brücke zu dem völkerverbindenden großen Sportereignis der Fußballweltmeisterschaft schlagen“. Die Genehmigung für den Bärenkreis wurde bereits vor einiger Zeit vom zuständigen Straßen- und Grünflächenamt erteilt. Im Spätherbst sollen einige der Figuren zugunsten des Kinderhilfswerks Unicef versteigert werden.

Doch unter hauptstädtischen Kulturpolitikern regt sich Unmut gegen die Plastekameraden. Den kulturpolitischen Sprecher der Linkspartei, Wolfgang Brauer, erregten die Bären so sehr, dass er das Thema in den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses einbrachte. Der geplante Kreis von Buddybären, so Brauer, sei geschmacklos und beeinträchtige die Wirkung des unterirdischen Mahnmals „Bibliothek“ des israelischen Künstlers Micha Ullmann, das an die Bücherbrennung durch die Nazis 1933 erinnere. „Berlin sollte zurückhaltender mit seinen Mahnmalen umgehen“, fordert Brauer.

In seltener Einigkeit pflichten Kollegen aus den anderen Fraktionen dem empörten Linkspartei-Politiker bei. Für Uwe Lehmann-Brauns (CDU) sind die Buddybären Ausdruck einer allgemeinen „Rummelplatz-Mentalität“, die sich auf Berlins Plätzen breitmache. „Berlin muss seine wenigen verblieben Metropolenplätze schützen“, fordert er. Die Buddy Bears, die er „Lachbären“ nennt, sind laut Lehmann-Brauns auf dem Bebelplatz genauso fehl am Platz wie Holzbuden am Holocaust-Mahnmal oder eine Rodelbahn auf dem Potsdamer Platz. Auch Alice Ströver (Grüne) findet die Präsenz bunter Bären auf dem Bebelplatz „reichlich befremdlich“.

Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) hat nun auf allgemeinen Wunsch einen Brief an Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) geschrieben, in dem er diesen bittet, die Aufstellungsgenehmigung für die Bären zurückzuziehen. Ein „Spalier von Werbebären“ banalisiere den Ort des Gedenkens „auf unerträgliche Weise“, klagt der Senator.

Der angesprochene Bezirksbürgermeister zeigt sich nun einigermaßen verwundert über die plötzlich aufgeflammte Empörung. „Ich weiß nicht, was die auf einmal alle haben“, sagt Zeller. Er verteidigt seine Entscheidung: Die Idee der Völkerverständigung, für welche die Bären stünden, vertrage sich hervorragend mit dem Mahnmal. Als die Buddybären-Initiatoren vor anderthalb Jahren um Genehmigung ersucht hätten, habe niemand Einwände gehabt. Die Jüdische Gemeinde habe die Bären sogar ausdrücklich als touristische Aufwertung des Bebelplatzes begrüßt. Anlass, die umstrittene Genehmigung zurückzuziehen, sieht Zeller keinen.

Die Bären, die sich momentan noch auf dem Seeweg befinden, wird wohl niemand aufhalten können. Die Grünen-Politikerin Alice Ströver empfiehlt als Kompromiss, die Plastetiere in einer Ecke zusammenzustellen. Das ist sicher dezenter, als eine Umkreisung des Mahnmals. Ästhetisch wird damit aber wenig gewonnen sein: Für die Dauer der Fußball-WM hat der Bezirk Mitte neben den Bären auch noch die Aufstellung eines gigantischen Bücherturms auf dem Bebelplatz genehmigt. Der soll im Rahmen des „Walk of Ideas“ an die deutsche Erfindung des Buchdrucks erinnern.

Bunte Bären mit erhobenen Pfoten neben monumentalen Bücherbergen – dieses Ensemble darf schon jetzt zu den optischen Herausforderungen gezählt werden, die die Fußball-WM dem Gesicht der Stadt zumutet.