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Archiv-Artikel

Polen im Medienkrieg

Mit der Qualitätszeitung „Dziennik“ greift der Axel-Springer-Verlag die „Gazeta Wyborcza“ an. Das Traditionsblatt hat reagiert – und sich auf einen Preiskampf eingelassen, den es leicht verlieren kann

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Ausgerechnet Dziennik – „Tageszeitung“ heißt das neue, überregionale Springer-Blatt in Polen. So wie das linke Konkurrenzblatt der Welt in Berlin, die taz. Dabei sieht Dziennik so aus wie ein polnischer Klon von Welt Kompakt: gleiches Format, gleiches Layout, gleiches Blau im Titel. Selbst die Weltkugel im Titel und der „markante Kopf“ in der Themenspalte darunter ähneln sich wie ein Ei dem anderen.

Dziennik soll eine Auflage von 150.000 Exemplaren erreichen. Lesen sollen das „moderne Qualitätsblatt“ vor allem junge und gebildete Leute, die sich gleichermaßen für „Polen, die Welt und Europa“ interessieren, heißt es bei Springer. Die ersten Reaktionen dieser jungen Leser im Internet: Das Blatt sei okay, meinen die meisten. Nichts Sensationelles, aber „professionell gemacht, leicht und angenehm zu lesen“. Besonders der Sportteil sei super. Und natürlich der Preis. Nur 1,50 Zloty (0,40 Euro) will Springer für rund 50 bebilderte Seiten Informationen, Kommentare und Unterhaltung im Tabloid-Format haben.

Auf die erste Dziennik-Ausgabe, diesen „Tag X“, hatte sich die gesamte Tageszeitungsbranche Polens intensiv vorbereitet. Obwohl immer wieder vom „Frühling“ die Rede war, gab Axel Springer Polska erst kurz vor Ostern den genauen Termin bekannt: 18. April. Durchgesickert war zuvor allerdings schon etwas anderes. Angeblich würden die knapp 200 Dziennik-Journalisten auf einen „Krieg gegen die Gazeta Wyborcza“ eingeschworen. Es gelte, dem führenden Qualitätsblatt Polens mit einer verkauften Auflage von zuletzt rund 415.000 Exemplaren die Leser und schließlich auch Werbekunden abspenstig zu machen.

Tatsächlich ist die Gazeta Wyborcza mit Einnahmen von jährlich rund 700 Millionen Zloty (180 Mio. Euro) der unbestrittene Werbekönig unter allen Tageszeitungen Polens. Danach folgt die Rzeczpospolita – mit einer zuletzt verkauften Auflage von 175.000 Exemplaren und Werbeeinnahmen von knapp 150 Millionen Zloty (38 Mio. Euro) – die zweitgrößte Qualitätszeitung Polens. Auch sie muss mit Einbußen in den nächsten Monaten rechnen. Doch zumindest hat ihr niemand den Krieg erklärt. Auf Platz drei und vier stehen die Boulevardblätter Fakt (Springer) und Superexpress.

Die Angst vor dem Medienkrieg hat insbesondere den Agora-Verlag mit seinem Flaggschiff Gazeta Wyborcza schon eine große Stange Geld gekostet. Da Springer mit jeder Neugründung in Polen einen Erfolg landete, angefangen bei Frauenzeitungen wie Die Frau des Hauses über die Lizenzausgaben Newsweek Poska und Forbes Polska, startete Agora eine Gegenoffensive und warf den Neuen Tag auf den Markt. Er sollte mit Fakt konkurrieren. Doch der Zwitter aus Boulevard- und Qualitätsjournalismus erwies sich als Flop. Nach nur drei Monaten stellte Agora das Blatt mit Verlust wieder ein. Die Kurse des börsennotierten Unternehmens stürzten ab. Analysten, die Agora zuvor immer die besten Noten gegeben hatten, befürchten nun ganz offen, dass der Verlag gegen den kapitalstärkeren Medienkonzern Springer den Kürzeren ziehen könnte. Zwar sei die rasche Einstellung des Neuen Tags eine richtige Entscheidung gewesen, doch allein schon die Idee, eine solche Zeitung gegen Springer ins Rennen zu schicken, sei eine unternehmerische Fehlentscheidung gewesen. Sie habe das Vertrauen der Anleger in die Agora-Spitze erschüttert.

Das Werbebanner „Dziennik – Hinter uns steht kein Palast“, das seit Tagen am Warschauer Kulturpalast hängt und kilometerweit zu sehen ist, sei natürlich „ein Scherz“, sagt Chefredakteur Robert Krasowski. „Zugleich ist der Slogan aber auch eine höchst ernste Erklärung unserer Unabhängigkeit und intellektuellen Selbständigkeit. Wir haben keine Mission. Wir wollen niemanden belehren, niemanden erziehen. Wir sympathisieren mit keiner Partei, wir forcieren keinerlei politische Ansichten.“

Kaufen kann man diese Nichtmeinung für den sensationell niedrigen Preis von 1,50 Zloty (40 Cent). Und das kann sich eigentlich nur jemand leisten, hinter dem doch ein „Palast“ steht, ein großer Konzern, der eine längere Zeitspanne ohne Gewinne verkraften kann. Hinter der Gazeta Wyborcza steht allenfalls ein Schlösschen, kein Palast. Aber sie hat den Preis jetzt auch herabgesetzt. Von 2,70 Zloty (70 Cent) auf 1,50 Zloty (40 Cent). Den Kursen hat das nicht gut getan. Doch auch im Falle von Fakt war der Preis das entscheidende Argument für die Käufer. Sie wechselten massenweise vom Superexpress zu Fakt, bis auch die älteste Boulevardzeitung Polens nachzog, den Preis auf Springer-Niveau senkte und damit die Auflage stabilisieren konnte. „Am Ende werden wir alle verlieren“, meint denn auch Superexpress-Chefredakteur Mariusz Ziomecki: „Der Werbekuchen wird nicht größer, und mehr Leser finden wir auch nicht. Was hier stattfindet, ist reiner Verdrängungswettbewerb. Wer reich ist, wird noch reicher.“