Wie viel Steuern zahlen deutsche Firmen?

ZEW-Studie kritisiert hohe Unternehmensteuern in Deutschland. Andere Steuerexperten halten dagegen

BERLIN taz ■ Die Steuern auf Gewinne von Kapitalgesellschaften sind im internationalen Vergleich zu hoch, sagen Steuerexperten vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Nach einer gestern veröffentlichten Untersuchung werden in Deutschland die Gewinne von Kapitalgesellschaften mit 36 Prozent besteuert. Nur Spanien belastet innerhalb der EU die Unternehmensgewinne mit 36,1 Prozent noch stärker. Am wenigsten werden nach ZEW-Angaben Unternehmen in Litauen (12,8 Prozent) und Zypern (9,7 Prozent) besteuert.

Obwohl die ZEW-Forscher angeben, dass sie in ihrer Untersuchung „effektive“ Gewinnsteuern berechnen, sagt die Studie über die tatsächliche Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften nichts aus. Diese liegt nach Berechnungen des Steuerexperten Lorenz Jarass von der Fachhochschule Wiesbaden deutlich unter den ZEW-Werten bei nur 12 bis 15 Prozent tatsächlich gezahlter Gewinnsteuern. Es ist EU-weit die niedrigste Belastung. „Wir betrachten nicht die Steuern, die beim Fiskus ankommen, sondern nur die Steuern, die einem Investor in Deutschland theoretisch drohen“, sagt Friedrich Heinemann, Leiter der ZEW-Studie. Er glaubt, dass aus der relativ hohen steuerlichen Belastung der Unternehmensgewinne ein Standortnachteil für Deutschland entstehen könnte, weil sie Investoren abschrecke.

Der Unterschied zwischen der hohen steuerlichen Belastung, die das ZEW festgestellt hat, und den tatsächlich gezahlten Steuern auf Unternehmensgewinne liegt an den großen Gestaltungsmöglichkeiten, die Kapitalgesellschaften bei der Minderung ihrer Steuerschuld haben. „Deutsche Kapitalgesellschaften zahlen extrem unterschiedliche Steuern“, sagt Experte Lorenz Jarass. „Je internationaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto leichter kann es seine Steuerschuld drücken.“ Das eigentliche Problem seien nominal hohe Steuersätze, die kein Unternehmen zahlt, glaubt Jarass: „Wir haben ein unsinniges Steuersystem, das unglaublich viel Geld für den Prozess der Steuervermeidung verschlingt.“ Tatsächlich liegen die deutschen Unternehmenssteuern nach OECD-Berechnungen unter dem Durchschnitt der Industrieländer.

„Die ZEW-Berechnungen sind nicht unumstritten“, meint deshalb auch Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: „Das Simulationsmodell des ZEW ist nicht wirklich empirisch begründet.“ Bach glaubt, hohe Steuersätze seien nicht automatisch ein Standortnachteil. „Die Besteuerung ist für Investitionsentscheidungen nur ein Faktor unter anderen wie Produktivität, Arbeitskosten und der Infrastruktur eines Landes.“

Die Summe dieser Faktoren spricht deutlich für den Exportweltmeister. „Deutschland ist unglaublich wettbewerbsfähig. Wir sollten nicht noch in einen Wettlauf um die niedrigsten Steuern einsteigen“, sagt Heiner Flassbeck, Chefvolkswirt der Unctad. Im letzten Jahr stiegen die Gewinne der Unternehmen um 30 bis 50 Prozent – dennoch kam davon beim Fiskus kaum etwas an. TARIK AHMIA

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