: Stühlerücken beim Verfassungsschutz
JOURNALISTENBESPITZELUNG Bei Niedersachsens Verfassungsschutz soll eine Task Force ab Montag die Überwachung von Journalisten, Politikern und Anwälten aufarbeiten
Die Journalistenüberwachung des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird ab kommender Woche von einer sogenannten Task Force aufgearbeitet. Am Montag nimmt die siebenköpfige Gruppe, die Innenminister Boris Pistorius (SPD) jetzt berufen hat, ihre Arbeit auf. Bis Jahresende soll sie alle Datenspeicherungen der Verfassungsschützer zu rund 9.000 Personen auf Rechtmäßigkeit prüfen.
In der Task Force sitzen Mitarbeiter von Innen- und Justizministerium, des Verfassungsschutzes selbst, der Polizei, der Landesdatenschutzbehörde sowie die neue Vize-Präsidentin des Verfassungsschutzes, Martina Schaffer. Sie arbeitete bisher in der Ausländerabteilung des Innenministeriums und war unter Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Vorsitzende der Härtefallkommission. Ab Montag löst sie beim Verfassungsschutz Dirk Verleger ab, um dort die umstrittene Überwachungspraxis aus der Zeit ihres einstigen Dienstherrn Schünemann aufzuarbeiten.
Verleger, Beamter auf Lebenszeit, soll eine neue Aufgabe im Innenministerium erhalten. Er war unter Schwarz-Gelb nicht nur Vize-Behördenleiter, sondern auch für das Referat Rechts- und Linksextremismus zuständig – wo es zu den beanstandeten Datensammlungen über Journalisten, Grünen- und Linkspartei-Politikern und Rechtsanwälten gekommen war. Als Strafmaßnahme will das Innenministerium den Wechsel aber keinesfalls verstanden wissen. „Mit den personellen Maßnahmen soll dem Verfassungsschutz die Möglichkeit für einen Neuanfang gegeben werden“, heißt es offiziell.
Und auch die Versetzung des bisherigen Leiters der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes, Stephan Walter, ins Sozialministerium stehe „nicht zwangsläufig“ im Zusammenhang mit der Datenaffäre, erklärt eine Ministeriumssprecherin. Walter leitete zudem die eigens von Schünemann beim Verfassungsschutz installierte „Niedersächsische Extremismus-Informationsstelle“ (Neis), die nach der Abschaffung der Landeszentrale für politische Bildung die politische Bildungsarbeit in Niedersachsen übernahm. 2011 kandidierte Walter in Hameln-Pyrmont für die CDU als Landrat – für dieses Amt bewirbt sich dort jetzt Ex-Minister Schünemann selbst und geht am Sonntag in die Stichwahl.
In der Landtagsopposition spricht die FDP unterdessen von Versetzungen „offenbar missliebiger Mitarbeiter“. Und denkt mittlerweile laut über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach. Die Affäre werde „immer undurchsichtiger“. Wegen schleppender Aufklärungsarbeit von Behörde und Innenministerium könne die Opposition ihre Kontrollrechte kaum wahrnehmen. THA