: Der Zuverlässige
Eigentlich wäre es der perfekte Abend gewesen. Perfekt für Christian Schulz, um ein Comeback als Stammspieler hinzulegen, für Hannover 96 für den vierten Heimsieg im vierten Versuch. Aber Schulz’ schöner Linksschuss zum 1:0 gegen Hertha BSC Berlin war dummerweise nicht der einzige Geniestreich dieses Abends am vergangenen Freitag: Am Ende stand es 1:1, weil ein gewisser Ronny sich Sekunden nach seiner Einwechslung mit einem fulminanten Freistoß zum Helden der Partie aufgeschwungen hatte.
Es darf gerätselt werden, wie viele Chancen Schulz noch bleiben, um sich groß in Szene zu setzen. Nach fünf Jahren bei den Profis von Werder Bremen und weiteren fünf bei Hannover 96 ist Schulz, geboren 1983 im niedersächsischen Bassum, mittlerweile 30 und zählt nicht mehr zu den Hauptdarstellern des modernen Fußballs hierzulande. Aus dem Team verdrängt haben ihn die Kollegen Salif Sané und Marcelo: Dieses hünenhafte Duo soll für Hannover die vielen, vielen Gegentreffer eindämmen. Nur weil Sané fehlte – die Grippe war Schuld – stand Schulz im Heimspiel gegen Hertha jetzt überhaupt von Anfang an auf dem Platz. Egal ob in der Innenverteidigung oder auf der linken Abwehrseite, die Sebastien Pocognoli besetzt: Erste Wahl sind bei Trainer Mirko Slomka längst andere.
Schulz wirkt nicht wie ein Arbeitnehmer, der unter den Erfolgen der jüngeren Kollegen leidet. Wer ihn bei der Arbeit beobachtet, erlebt einen pflichtbewussten Berufssportler, dessen Erfahrung und Meinung gefragt bleiben. Dabei könnte „Schulle“ – mit diesem Kosenamen feiern ihn die Fans selbst in belanglosen Situationen noch immer – angesichts seines Karrierestatus durchaus in Hektik geraten. Sein Arbeitsvertrag in Hannover läuft aus, und im Einklang mit Slomka will Manager Dirk Dufner den Kader verjüngen und optimieren. Der Name Schulz fällt recht selten, wenn es um die die Zukunft des Vereins geht.
Es gibt tatsächlich eine Streichliste in Hannover. Mit Macht will sich 96 im oberen Drittel der Bundesliga-Tabelle etablieren und möglichst schnell wieder international mitspielen. Da sind trickreiche Athleten wie der senegalesische Torjäger Mame Diouf gefragt, um dessen Verbleib – und eine mögliche Vertragsverlängerung – seit Monaten ein rechter Eiertanz veranstaltet wird. Vermeintlichen oder tatsächlichen Stars wie Diouf mag die Zukunft in Hannover gehören, dafür gebührt einem wie Schulz Applaus für besondere Zuverlässigkeit, Vereinstreue und Einsatzbereitschaft. Vielleicht werden sich die Verantwortlichen in Hannover eines Tages reumütig an „Schulle“ erinnern. CHRISTIAN OTTO