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Archiv-Artikel

Norwegisches Nass gegen syrisches Giftgas

NORWEGEN Auf dem Territorium des skandinavischen Landes sollen offenbar chemische Kampfstoffe aus Syrien unschädlich gemacht werden. Die Regierung in Oslo reagiert grundsätzlich positiv

STOCKHOLM taz | Norwegen könnte bei der Unschädlichmachung syrischer Chemiewaffen, deren Vernichtung am Wochenende in Syrien begann, eine wichtige Rolle spielen. Ministerpräsident Jens Stoltenberg bestätigte am Samstagabend entsprechende Medienberichte, wonach die USA und Russland mit Oslo einen „konkreten Dialog“ begonnen hätten, wie das Land dazu beitragen könne, chemische Kampfstoffe zu vernichten: „Ob das innerhalb oder außerhalb unserer Grenzen erfolgen soll, ist noch nicht geklärt.“

Erste Stellungnahmen aus dem norwegischen Militär deuten allerdings darauf hin, dass Norwegen vermutlich Chemiewaffenbestandteile auf seinem Territorium unschädlich machen soll. Mit eigener Kompetenz, die in Syrien nützlich wäre, könne man gar nicht dienen, erklärte der Leiter des Zentrums für ABC-Waffenabwehr, Per Inge Ohrstrand, gegenüber der Tageszeitung Aftenposten: „Wir waren noch nie an solchen Operationen beteiligt.“

Ohrstrand geht auch davon aus, dass mit Giftgas gefüllte Granaten und Raketen in Syrien direkt zerstört werden: Zum einen sei ein Transport zu gefährlich, zum anderen erlaube die UN-Chemiewaffenkonvention nicht, dass solche Waffen in ein anderes Land transportiert und dort vernichtet würden.

Für die Destruktion der in Syrien lagernden chemischen Komponenten von Kampfstoffen könne Norwegen sich tatsächlich anbieten, meint Bjørn Arne Johnsen vom Verteidigungsforschungsinstitut FFI. Für diese komme entweder eine Verbrennung oder Verdünnung mit großen Mengen an Wasser infrage. Entsprechende Destruktionsanlagen würden aus Sicherheitsgründen in dünn besiedelten Regionen mit einem Sicherheitsabstand von zehn Kilometern zu bewohnten Gebieten betrieben. In Norwegen ließen sich solche Gegenden finden, die auch die weiteren Voraussetzungen erfüllten: Zugang zu großen Wassermengen und Nähe von Häfen, damit nach einem Schiffstransport möglichst geringe Transportstrecken auf dem Land zurückgelegt werden müssten. Norwegen verfüge aber über keine eigenen Destruktionsanlagen, betont Johnsen. Solche mobilen Einheiten gebe es allerdings in den USA und Russland. Man könne diese binnen weni- ger Wochen nach Norwegen transportieren und in Betrieb nehmen. Die Anlagen würde man vermutlich mit geschultem amerikanischem und russischem Personal betreiben, Norwegen solle aber offenbar formal eine Aufsichtsrolle dabei spielen.

Ob Oslo für die Aktion grünes Licht gibt, wird die neue Regierung der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg entscheiden, die Mitte Oktober ihr Amt antritt. „Wir sind grundsätzlich nicht negativ gegenüber einer Aufgabe eingestellt, die die Vereinten Nationen für wichtig halten“, erklärte Solberg am Wochenende. „Hat Norwegen die Kapazität, diesen riskanten Job zu machen, soll es das tun“, meint der Grünen-Abgeordnete Ramus Hansson: „Wir können damit beweisen, dass wir eine Nation sind, die sich bei der Lösung internationaler Konflikte nützlich macht.“

Auch Greenpeace Norwegen und die Umweltschutzorganisation „Bellona“ äußerten sich grundsätzlich positiv, fordern aber gleichzeitig höchste Sicherheitsvorkehrungen. Zudem weisen sie darauf hin, dass es der Änderung von oder Ausnahmeregelungen für unterschiedliche Umweltgesetze bedürfen werde. „Anscheinend will man, dass ein neutrales Land das macht“, vermutet der Bellona-Vorsitzende Fredric Hauge. „Denn schneller und einfacher dürfte es doch in jedem Fall sein, die bereits bestehenden Anlagen in den USA und Russland dafür zu verwenden.“

REINHARD WOLFF