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Archiv-Artikel

Thrillergestrüpp mit Top-Infos

Suspense, Logik, Täter oder Tatmotiv? Leider Fehlanzeige bei „maerz in Hannover“. Dem liebenswert verdrucksten Charme der Landeshauptstadt wird das erklärt „kriminalistische Stadtporträt“ nicht gerecht

VHS-schwer legen sich mühsam ergoogelte Vorträge über die Expo-, Messe-, Kunst- und Rugbystadt auf die Gehörgänge

Hannover 96 ist eine Gurkentruppe, Gerhard Schröder nur noch Ex-Kanzler und die traditionsreiche Gilde-Brauerei gehört jetzt Belgischen Bierpanschern. Das ist aber noch lange kein Grund, uns von Hamburger Astra-Trinkern beleidigen zu lassen. Ja, genau, wir meinen Sie, Claudia Cornelsen und Ingo Abel. Im Sprengel Museum haute Ihre Firma Bello Records neulich ordentlich auf die Pauke, um eine Doppel-CD namens „Maerz in Hannover“ zu promoten.

Es handele sich dabei um ein „kriminalistisches Stadtporträt“, trompeteten die Vertreter, um ein „idealistisches Projekt“ im Segment Stadtmarketing, mit dem auch schon die Metropole Mannheim beglückt wurde. Frau Cornelsen empfiehlt sich für diese Aufgabe mit folgendem Kurzprofil: „Autorin und Ghostwriterin von über 40 Sachbüchern und Romanen.“ Unter Herrn Abels Riechorgan wiederum sollen Sprechwerkzeuge lagern, die „durch einzigartige Hörfunkproduktionen und ständige Fernsehpräsenz zu den bekanntesten Deutschlands“ zählen. Wir haben allerdings noch nie von dem Duo gehört, geschweige denn etwas gelesen. Die Nord LB anscheinend auch nicht mehr als ein vages Exposé. Sonst hätte sie das Werk nicht mit einem ansehnlichen Produktionskostenzuschuss versehen.

Die Rahmenhandlung ließe selbst Derrick-Erfinder Reinecker vor Scham erröten. Autorin Cornelsen stolpert derart unbeholfen durch ein Gestrüpp aus Computerkriminalität, Hartz IV, Erbschleicherei, Vergewaltigung, Neonazis und Mord, dass Ermittlerin Dana am Ende „der Kopf schwirrt, wie so oft in diesem Fall“. Suspense, Logik, Täter, Tatmotiv? Leider Fehlanzeige, „Ausgemaerzt“ bleibt ungelöst, was auch für die orthografisch heikle Schreibweise des Titels gelten muss. Dafür glänzt der Thriller mit Top-Infos wie: „In Punkto Nahverkehr ist ja Hannover neben Karlsruhe und Zürich eine der drei Vorzeigestädte Europas“, „das Opernhaus verfügt als einzige Oper in der ganzen Welt über eine vollständig computergesteuerte Bühnentechnik“ oder „nirgendwo sonst in Deutschland war die Aufklärungsrate bei Mord und Totschlag so hoch wie in Hannover, allerdings war Hannover auch führend in der Statistik was die Häufung dieser Verbrechen anging vor Mannheim, Mainz und Stuttgart“.

Da gefriert einem tatsächlich das Blut in den Adern. Zumal sich auch der Rest der mühsam ergoogelten Vorträge über die Expo-, Messe-, Kunst- und Rugbystadt, über den Bahnhof („erster Durchgangsbahnhof auf dem Kontinent“, „600 Züge täglich“) und ein alternatives Altersheim („hausinterner Pflegeversicherung“, „Blockheizkraftwerk“) VHS-schwer auf die Gehörgänge legt. Und im Übrigen mit dem liebenswert verdrucksten Charme Hannovers soviel zu tun hat wie Heinz Rudolf Kunze mit Rockmusik.

Wo wir schon mal dabei sind: Die Idee, das öde Gesummse durch einen Sack Halbprominenz aufzupeppen, macht die Sache auch nicht besser. Kinokönig Flebbe kann nicht reden, Staatsschauspieler Dieter Hufschmidt möchte auf das Projekt lieber nicht mehr angesprochen werden und DJ Mousse T. versteht eine Menge vom Remixen, als Kellner („Wie bei Mutti! Salat mit Putenbrust und Bratkartoffeln“) ist der Mann eine Katastrophe. Einzig OB Herbert Schmalstieg (Pförtner im Rathaus) und Heinzi Kunze (Penner) sind die Rollen auf den Leib geschneidert.

„Selbstredend erhielten die Mitwirkenden kein Honorar“, schreiben Sie. Dafür sollen 200 Euro pro Gastsprecher automatisch auf das Konto der “Stiftung Weltbevölkerung“ wandern. Wissen Sie, was Ihnen die Weltbevölkerung, speziell der Hannoveraner sagt: Lasst Euch hier bloß nie wieder blicken!

Michael Quasthoff

„Maerz in Hannover“ von Claudia Cornelsen, Bello Records 2006, 2 CDs, 152 Min., 19,95 Euro