: „Alltäglicher Widerstand“
KULTUR Wie aus einem zufälligen Aktenfund ein Opern-Experiment über Herrn Schwarz wurde
■ ist Studentin im Fach „Integriertes Design“ an der Hochschule für Künste in Bremen.
taz: „Herr Schwarz – Ordne und finde“ – ist das noch eine Performance oder schon eine Oper, Frau Tritschler?
Annika Tritschler: Es ist ein Experiment zur Oper, das im Rahmen meiner Diplomarbeit entstanden ist. Ich würde nicht wagen, es als Oper zu bezeichnen – das Projekt entstand in nur vier Monaten, in einer Kooperation mit zwei Komponisten, Alexander F. Müller und Sebastian Peter sowie dem Tenor Jan Hübner.
Wie kamen Sie denn auf Herrn Schwarz?
Das war reiner Zufall. Ich habe in einem Gebrauchtwarenladen einen Aktenordner gefunden, ihn aufgeschlagen und die durchgestrichenen Wort „Heil Hitler“ gelesen. Dann hab ich ihn für drei Euro gekauft. Er enthält viel persönliches Material über Herrn Schwarz, aus den Jahren 1937 bis 1947. Das hat mich einfach fasziniert. Erst hatte ich Hemmungen, mich dessen anzunehmen – aber dann war es doch zu verlockend. Und so habe ich diese Dokumentation dann verarbeitet – weil Herr Schwarz eine sehr belebte Geschichte hatte. Er war Straßenbahnschaffner und kam 1944 ins Konzentrationslager Neuengamme, weil er darüber sprach, dass er mit der Hitlerregierung nichts am Hut habe. Später konnte er von dort fliehen. Es geht hier weniger um einen politischen, als viel mehr um einen alltäglichen Widerstand.
Und warum machen Sie daraus ein Opernexperiment?
Ich bin von der Ausbildung her Designerin, habe mich aber während meines Studiums viel mit dem Musiktheater befasst. Jetzt wollte ich ausprobieren, wie weit ich selbst in der Lage bin, eine Oper auf die Beine zu stellen. Und die Möglichkeiten, eine Inszenierung von neuer Musik räumlich zu denken, sind noch nicht ausgereizt. Ich würde mich freuen, wenn ich es schaffe, dass sich mehr Leute für neue Musik interessieren. Zugleich geht es darum, dieses Fundstück visuell, klanglich und performativ zugänglich zu machen.
Haben Sie weitere Recherchen zu Herrn Schwarz angestellt?
Nein. In dem Stück geht es um die Konstruktion des Charakters Schwarz, anhand der einzelnen Fragmente, derer man sich nie sicher sein kann. Ich weiß nicht, was wahr ist und was nicht.
Was passiert nun mit dem Werk?
Wir haben Interesse, das in einem anderen Rahmen nochmal aufzuführen, aber dazu müssen wir erstmal Geld akquirieren. Heute arbeiten alle unentgeltlich. INTERVIEW: JAN ZIER
19 Uhr, Galerie der Hochschule für Künste, Dechanatstraße – mit einer Werkschau der Diplomandin