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Archiv-Artikel

Flutminister muss vortanzen

Das jüngste Jahrhunderthochwasser an der Elbe hat ein parlamentarisches Nachspiel: SPD und Grüne wollen im niedersächsischen Landtag das Krisenmanagement der Wulff-Regierung klären

Von Kai Schöneberg

Fluten können Wahlen entscheiden. Deshalb schröderte es vor zwei Wochen in Hitzacker, als die Kanzlerin in Gummistiefeln durch die Altstadt watete, begleitet von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der wegen des zweiten „Jahrhunderthochwassers“ binnen vier Jahren sogar frühzeitig aus Südafrika zurückgekommen war. Bereits zwei Tage zuvor hatte Umweltminister Hans-Heinrich Sander sogar einen Krankenhausaufenthalt abgebrochen, um den Elbgefluteten mit 800.000 Sandsäcken im Schlepptau zur Hilfe zu eilen. Das alles ist der Opposition nicht genug. SPD und Grüne wollen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) berufen, um das Flut-Verhalten der Landesregierung zu klären.

Sander und Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hätten das Hochwasser, das Anfang April zu den höchsten Pegeln in Niedersachsen seit über 100 Jahren geführt hatte, „im Vorfeld dramatisch unterschätzt“, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Etwas später meldeten sich die Grünen: Ausschuss? Na klar – immerhin ist es das erste Mal, dass die Wulff-Truppe mit dem einer Gerichtsverhandlung nicht unähnlichen PUA traktiert werden kann. Umweltexpertin Dorothea Steiner sprach von „fragwürdigen Hochwasser-Auftritten des Umweltministers“, die sich zunächst „auf ein paar Telefonate und einen Fototermin in Hitzacker beschränkt“ hätten. Im Mai-Plenum des Landtags soll der Pegel-PUA beschlossen werden, bis zur Sommerpause könnte er tagen, vielleicht reichen die Vorwürfe ja noch bis zur Kommunalwahl im September.

Während in Brandenburg und Sachsen-Anhalt seit Wochen „massive Vorarbeiten“ für die Elbe-Flut liefen, hätten die Niedersachsen viel zu lange an den „Verlauf eines normalen Frühjahrshochwassers“ geglaubt, sagte Jüttner. Bei den betroffenen Gemeinden habe es unterschiedliche Informationen gegeben, der Katastrophenalarm sei viel zu spät ausgelöst worden. Der mit 7,63 Metern historische Pegel-Höchststand in Hitzacker habe die Regierung völlig überrascht.

Nicht nur Wulff, auch die Umweltminister aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt könnten PUA-Gäste werden, sagte Jüttner. Beide hatten sich gegen den Vorwurf aus Niedersachsen verwahrt, die Katastrophe habe flussabwärts so große Ausmaße angenommen, weil sie ihre Havelpolder nicht geflutet hätten. Die Magdeburger CDU-Ressortchefin Petra Wernicke hatte sich gar gewundert, dass die Niedersachsen sich nicht bei ihr nach den Pegeln erkundigt hatten.

Da wollte auch CDU-Fraktionschef David McAllister nicht zurückstehen und kündigte an, den „Prüfauftrag“ auf das Flutjahr 2002 auszudehnen. Dann könnte auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sich hochnotpeinlichen Fragen stellen müssen. Er war damals als niedersächsischer Ministerpräsident für das Krisenmanagement zuständig. Logisch: Im Übrigen lehnen CDU und FDP den PUA ab.

Vorher hatte Sander betont, er habe sich nach den Vorwürfen der Opposition „natürlich auch gefragt, ob nicht doch irgendwann und irgendwo insbesondere in meinem Geschäftsbereich gravierende Versäumnisse vorgelegen haben“. Dies sei aber nicht der Fall. Zwar sei ihm weiter eine Differenz in Höhe von 30 Zentimetern zwischen Prognosen und Ist-Hochwasser unklar. Die Überflutung Hitzackers sei jedoch nicht zu vermeiden gewesen, sagte Sander. Und: Er habe die zuständigen Behörden frühzeitig kontaktiert. Einen Rücktritt Sanders, wie ihn die SPD bereits verlangt hatte, forderte Jüttner gestern nicht. Noch nicht. Stattdessen deutete er an, dass Sander gelogen haben könnte. Jüttner: „Das würden wir billigend in Kauf nehmen.“