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Archiv-Artikel

Der Freundliche

Der CDU-Reformer Laschet bekommt Zustimmung nicht nur von MigrantInnen

Armin Laschet

Der Katholik: Armin Laschet, 1961 in Aachen geboren, ist überzeugter Katholik. Er engagierte sich als Jugendlicher in der kirchlichen Pfarr- und Jugendarbeit, 1979 trat er in die CDU ein. Laschet studierte Jura und machte eine Ausbildung zum Journalisten, wurde Chefredakteur der Kirchenzeitung des Bistums Aachen und Verlagsleiter und Geschäftsführer des dazugehörigen Einhard Verlags.

Der Politiker: 1989 wurde Laschet jüngstes Mitglied des Rats der Stadt Aachen, 1994 zog er mit einem Direktmandat in den Bundestag ein, 1999 gelang ihm der Sprung ins Europaparlament. Seit 2005 ist er Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in NRW.

Der Familienvater: Laschet ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 15 bis 20 Jahren.

VON SABINE AM ORDE

Es ist eine Veranstaltung, wie Armin Laschet sie mag. Montagmittag in einem Gewerbegebiet in Düsseldorf-Heerdt. In dem schlichten Saal haben sich gut hundert MigrantInnen aus der ganzen Republik versammelt, die eines gemeinsam haben: Sie sind in der CDU aktiv, fast ausschließlich auf kommunaler Ebene – und viele von ihnen würden gern weiterkommen in der Partei. Laschet sitzt vorn auf dem Podium, neben ihm die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.

Gerade hat sich Necdet Savuaral erhoben, der einst als Gastarbeiter nach Deutschland kam und heute im niedersächsischen Hanstedt stellvertretender CDU-Ortsvorsitzender ist. Savuaral lobt Böhmer höflich. „Ich will Ihre Leistung nicht schmälern“, sagt er und wendet sich dann von der Integrationsbeauftragten ab, „aber ich habe dazu noch nie einen so authentischen Vortrag gehört wie Ihren, Herr Laschet.“ Böhmer lächelt tapfer, Laschet breit. Der Mann, der sich gern den ersten Integrationsminister in Deutschland nennt, weiß, dass er die Herzen des Publikums längst gewonnen hat.

Doch nicht nur die MigrantInnen in der Union sind von Laschet begeistert. Einen „Glücksgriff“ nennt ihn die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, „einen Lichtblick“ Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen NRW, und der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit würde Laschet am liebsten gleich zum Integrationsminister auf Bundesebene machen. Wo man auch fragt, der nette Herr Laschet, wie ihn die FAZ jüngst bezeichnete, wird geschätzt. Er habe atmosphärisch viel geleistet, insbesondere in der CDU, heißt es stets. Seine Partei, die sich Jahrzehnte lang den Realitäten der Einwanderungsgesellschaft verweigerte, hat viel mit Laschets Erfolg viel zu tun. Wo es dunkel ist, kann einer wie Laschet umso heller strahlen.

„Republik der Aufsteiger“

In seiner Rede vor den CDU-MigrantInnen hatte der Integrationsminister mühelos den Sprung aus der dunklen Vergangenheit in eine hoffnungsvolle Zukunft geschafft. Damals wurden Gastarbeiter „nach körperlichen Kriterien“ ausgewählt, Migrantenkids in reine Türkenklassen gesteckt und Häuser in Mölln und Solingen angezündet. Damals, so Laschet, habe auch die CDU Fehler gemacht. Aber heute habe sie dazugelernt. „Natürlich sind wir ein Einwanderungsland“, sagt der 49-jährige Aachener. „Wir müssen darüber reden, wie wir es gestalten.“ Deutschland brauche eine Willkommenskultur und müsse „zu einer Republik der Aufsteiger werden, auch für jene knapp 20 Prozent der Bevölkerung, die eine Zuwanderungsgeschichte haben“. Der soziale Aufstieg der Migranten, das ist Laschets Mission.

Zu dieser hat er eher zufällig durch Jürgen Rüttgers gefunden. Als der vor fünf Jahren ein Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration schaffte und ihn zum Minister machte, hatte der wertkonservative Katholik mit dem Thema Integration wenig zu tun. „Wir dachten, die demografische Frage würde im Mittelpunkt stehen, deshalb steht Generationen auch im Titel vorn“, sagt Laschet. Aber dann brannten in Paris die Vorstädte und das Thema Integration war gefragt. Laschet, der seine berufliche Laufbahn als Mitarbeiter bei der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth begonnen hatte, erkannte seine Chance. Er wich von dem alten, repressiven Kurs der Union ab, definierte „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ nicht länger als Problemfälle und Einwanderung mit Blick auf die Demografie als schlichte Notwendigkeit. Das machte ihn von einem unbekannten Europapolitiker zu einem liberalen Aushängeschild seiner Partei – und einem Christdemokraten, den Migranten mögen.

Deniz Güner ist Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in NRW und selbst in der CDU. Sympathisch und konstruktiv sei Laschet und an den türkischen Migranten interessiert. Und was hat der Minister konkret bewirkt? Güner überlegt. „Er hat landesweite Deutschtests für alle Vierjährigen eingeführt, und wer Förderbedarf hat, bekommt auch Förderung“, sagt er dann. Mehr fällt ihm nicht ein. Auch dass Laschet gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, das kommunale Ausländerwahlrecht und den EU-Beitritt der Türkei ist – alles klassische Forderungen der Türkischen Gemeinde – erwähnt er nicht. „Es müsste in der CDU mehr Laschets geben“, lautet sein Fazit. „Doch solange die Bosbachs in der Überzahl sind, wird ein Laschet die NRW-CDU nur wenig ändern.“ Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker aus NRW, hat jüngst eine leichtere Ausweisung nichtdeutscher Straftäter gefordert. Wieder einmal.

Cem Özdemir, der grüne Parteichef, kennt Laschet schon aus der Pizza-Connection der Neunzigerjahre, als junge schwarze und grüne Abgeordnete sich beim Italiener in Bonn zum Austausch trafen. „Er ist ein guter Freund und ich halte viele seiner integrationspolitischen Positionen für vernünftig“, sagt Özdemir. Wie sehr Laschet seine Partei mitunter herausfordere, sei ihm klar geworden, als er einmal bei der CDU-Fraktion in Wiesbaden zu einer Diskussionsveranstaltung war und Grüße von Laschet bestellt habe. „Selbst über einen Gruß von Lafontaine hätten die sich vermutlich mehr gefreut.“

Laschet hatte im Januar 2008 – nach der hessischen Landtagswahl – gemeinsam mit 16 anderen Unionspolitikern in einem offenen Brief den Wahlkampf von Roland Koch kritisiert, der sich auf junge, nichtdeutsche Straftäter eingeschossen hatte. „Einen solchen Wahlkampf wird es nicht mehr geben, auch weil man so keine Wahlen mehr gewinnen kann“, sagt Laschet heute. Das Klima habe sich geändert – in der Gesellschaft und auch in der CDU, das sehe man auch an Islamkonferenz und Integrationsgipfel. „Die Spitzen der Partei denken wie ich, auch wenn sie es manchmal anders ausdrücken“, sagt Laschet. Das gelte für die Kanzlerin und den Innenminister und letztlich auch für Bosbach und Koch. „Na ja, zu 90 Prozent.“

Neben Laschet liegt eine Ausgabe seines Buchs „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“, das im vergangenen Jahr erschienen ist. Mit gelben Klebezetteln hat der Minister einige Stellen für Lesungen markiert. Eine davon beschreibt den Werdegang seines Vaters, der sich mit Hilfe eines Förderprogramms vom Bergmann erst zum Lehrer, dann zum Schulleiter hocharbeitete. Es ist eine Geschichte, die Laschet gerne erzählt. „Anschließend wurde die Bildung vererbt“, sagt er, „meine Brüder und ich, wir haben studiert.“ Es ist diese Chance zum Aufstieg, die Laschet propagiert.

Doch das Entscheidende dabei klammere er aus, kritisiert der Grüne Özdemir. „Wir müssen die Schule verändern und das Aussortieren der Kinder nach der vierten Klasse beenden. Sonst wird es nichts mit dem sozialen Aufstieg.“ Eine Schulstrukturdebatte aber lehnt Laschet ab.

In der Schulpolitik rede Laschet nicht mit, heißt es auch bei den Grünen in Nordrhein-Westfalen, mit den Kabinettskollegen und dem Ministerpräsidenten lege er sich nicht an. „Im Zweifelsfall stellt er sich hinter Rüttgers“, sagt Sylvia Löhrmann, die Fraktionschefin. So verteidigte Laschet seinen Chef, als der sich abfällig über Rumänen äußerte, und auch als dieser sich zu der Behauptung verstieg, die Hauptschulen könne man wegen der Migranten nicht schließen. Konkrete Fortschritte in der praktischen Politik gebe es kaum. Ein Integrationsgesetz liege nicht vor, auch beim islamischen Religionsunterricht sei NRW kein Stück vorangekommen. Das habe aber auch mit den islamischen Verbänden zu tun.

Für Löhrmann ist Laschet auch nicht der erste Integrationsminister der Republik. „Das war Helga Trüpel Anfang der Neunzigerjahre in Bremen.“ Eine Koalition mit Laschet, der jüngst in seiner Heimatstadt Aachen Schwarz-Grün eingefädelt hat, könnte sich Löhrmann wohl dennoch vorstellen: „Mit Laschet findet man eine Gesprächsebene.“

Wo es dunkel ist, kann einer wie Laschet umso heller strahlen

„Legt sich nicht an“

Diese Erfahrung hat der nordrhein-westfälische Flüchtlingsrat bisher nicht gemacht. Das Gespräch mit den Fachverbänden suche Laschet nicht, für Flüchtlinge habe er herzlich wenig bewirkt, heißt es dort. „Er legt sich eben nicht mit dem Abschiebeminister an.“ Damit ist FDP-Innenminister Ingo Wolf gemeint.

Am Nachmittag spricht der Integrationsminister bei der Senioren-Union in Neukirchen-Vluyn, einer Kleinstadt am Niederrhein. Die Kulturhalle ist gut gefüllt, auf den langen Tischen stehen Streuselkuchen und Bohnenkaffee. Laschet wettert gegen Rot-Rot und kritisiert, dass die Linke in der Integrationspolitik versagt habe. Aber dann sagt er auch, dass der Aufstieg von Migranten ökonomisch unerlässlich ist, dass Kinder, die zu viel vor dem Fernseher sitzen, Unterstützung brauchen, und nach dem Zweiten Weltkrieg die Eingliederung der Flüchtlinge doch auch gelungen sei.

Es ist eine andere Rede als am Vormittag, aber Laschets entscheidende Botschaft ist wieder dabei: Wir müssen den sozialen Aufstieg von Migranten ermöglichen. Als er zum Ende kommt, klatschen die CDU-Senioren begeistert, dann singen sie die Nationalhymne. „Vor fünf Jahren hätte ich hier noch nicht so viel Applaus gekriegt“, sagt Laschet.

Da hat er recht. Vor fünf Jahren hätte es in der CDU auch noch kein Treffen von Mandatsträgern mit Migrationshintergrund gegeben und der niedersächsische CDU-Ministerpräsident hätte keine Deutschtürkin zur Ministerin gemacht, wie gerade geschehen. Dass dies heute möglich ist, hat auch mit Armin Laschet zu tun.