: Ein Alptraum in Pink
GENDER Zum morgigen Weltmädchentag soll der Funkturm pink leuchten – warum nur?
VON SIMONE SCHMOLLACK
Am Freitagabend bei Einbruch der Dunkelheit ist es so weit: Der Funkturm macht dem Barbie-Haus am Alexanderplatz Konkurrenz. Nicht in seiner Fläche, auch nicht mit seinem Angebot an Püppchen, Pferdchen und Schühchen, die diese Shopping-Mall zuhauf bietet. Wohl aber in Bezug auf die Farbe: Bis Mitternacht wird das Stahlgewitter auf dem Messegelände in Charlottenburg ganz in Rosa erstrahlen.
Warum dieser Zauber? Und warum Rosa? Ganz einfach: Am 11. Oktober ist Weltmädchentag. Vor zwei Jahren haben die Vereinten Nationen diesen Tag ausgerufen. Für die Kinderhilfsorganisation Plan International, die in Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas aktiv ist, ein Grund, weltweit zum zweiten Mal Gebäude, Plätze und Türme anzustrahlen. In Deutschland werden das neben dem Funkturm etwa der Hamburger Michel, der Düsseldorfer Rheinturm und das Meeresmuseum Ozeaneum in Stralsund sein.
Damit will Plan International Deutschland auf die Benachteiligung von Mädchen und Frauen aufmerksam machen, sagt Marc Tornow, Pressereferent der Organisation. So bekommen Mädchen in Entwicklungsländern häufig erst nach den Jungen etwas zu essen, werden nach ihnen medizinisch behandelt, in Flüchtlingscamps werden sie häufig Opfer von Gewalt.
Und dagegen hilft Rosa? Eine Farbe, die hierzulande eine eindeutige Konnotation hat? Eine, mit der Mädchen vielfach reduziert werden auf etwas Puppenhaftes, Wehrloses, Niedliches und eine, die traditionelle Geschlechterrollen verfestigt.
Die Leuchtaktion habe nichts mit Barbie und auch nichts mit rosa Ü-Eiern für Mädchen zu tun, versichert Tornow. „Es ist auch eher ein Magenta“, schlägt er vor, die Farbe habe Signalwirkung. Die Pink-Entscheidung sei international getroffen worden. Im Gegensatz zu den westlichen Geschlechterzuschreibungen, die Mädchen eher in eine passive und zu beschützende Rolle drücken, stehe Rosa etwa in Indien für Weisheit und Wissen.
Trotzdem ist Stevie Schmiedel mächtig frustriert. Die Chefin von Pinkstinks, einem Verein, der gegen die „Pinkifizierung“ der Gesellschaft kämpft, hat schon vor einem Jahr gegen die erste Rosa-Licht-Bestrahlung gewettert. „Damit wird all das reproduziert, was wir an der Farbe problematisch finden“, sagt die Genderforscherin. Sie sieht zudem einen Widerspruch zwischen dem Plan-Engagement und dem Erfolg der Organisation und den eingesetzten Mitteln. „Plan fördert Mädchenfußball in Entwicklungsländern, kämpft gegen Genitalverstümmelung und Menschenhandel“, sagt Schmiedel: „Aber das wird häufig mit zu vielen Bildern von ach so süßen kleinen Mädchen mit großen, hilflosen Augen getan.“
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