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Archiv-Artikel

Späte Weihnacht am Theater

Arbeitsgericht urteilt: Theater-Angestellten steht Weihnachtsgeld zu, Theater ist mit Zahlung in Verzug. Betriebsrat und Gewerkschaft hatten von Klagen abgeraten. Ende Mai droht die Verjährung

von Armin Simon

Das Bremer Theater schuldet seinen Angestellten gut eine Million Euro. Diesen Schluss legt ein Urteil des Bremer Arbeitsgerichts nahe. Es gab jetzt einem Bühnenarbeiter Recht, der die Auszahlung des Weihnachtsgeldes 2005 verlangt hatte. Sein Mandant habe darauf einen „arbeitsrechtlichen Anspruch“, sagte Rechtsanwalt Jürgen Maly.

Der Kommunale Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft ver.di hatten im November vereinbart, die Zahlung des Weihnachtsgeldes bis zum Abschluss eines Notlagentarifvertrags auszusetzen. Der Senat hatte einen solchen „Eigenbeitrag“ der Beschäftigten zur Bedingung für seinen 1,9 Millionen-Euro-Kredit gemacht, der die Liquidität des Theaters bis Jahresende sicherstellte. Das Gericht hingegen maß der Vereinbarung in Bezug auf den Weihnachtsgeldanspruch keine Bedeutung zu. Maßgeblich sei der alte Tarifvertrag, und demnach das Theater mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes seit fünf Monaten in Verzug.

In die Bredouille bringt das Urteil in erster Linie die Gewerkschaften. Die nämlich haben den Theater-MitarbeiterInnen bisher von einer Klage abgeraten. Ver.di verweigerte seinen Mitgliedern sogar die Übernahme der Rechtskosten. Von einem „sehr kooperativen“ Betriebsrat, der „allen geraten hat, nicht zu klagen“, sprach Theater-Geschäftsführer Wolfgang Patzelt.

Ver.di-Verhandlungsführer Onno Dannenberg vermutete gestern, das Gericht sei falsch informiert gewesen. Die Vereinbarung, wonach das Weihnachtsgeld vorerst nicht ausgezahlt würde, sei ein „ganz formgerechter Tarifvertrag“, eine Klage dagegen mithin aussichtslos. Über Konsequenzen aus dem aktuellen Richterspruch könne man erst reden, wenn dessen Begründung schriftlich vorliege. Betriebsrätin Krahn zeigte sich überrascht von dem Urteil. Man müsse überlegen, ob man nun nicht doch zur Klage raten solle, sagte sie. Dem Gesetz nach müssen Ansprüche auf ausstehende Gehaltszahlungen binnen sechs Monaten geltend gemacht werden, im Fall des Weihnachtsgeldes also bis Ende Mai. Nach Information der taz hat mindestens ein weiterer Bühnenarbeiter bereits Klage eingereicht.

Kulturressort, Theater-Geschäftsführung wie Gewerkschaften käme eine Klagewelle zum jetzigen Zeitpunkt eher ungelegen. Sie zählen das Weihnachtsgeld 2005 – insgesamt gut eine Million Euro – nämlich bisher zur Verhandlungsmasse im Poker um den Notlagentarifvertrag. Ansprüche, die ein Gericht einmal rechtskräftig anerkannt hat, sind jedoch nicht mehr angreifbar, fallen aus dieser Verhandlungsmasse also heraus. Der Richterspruch, drückt es Theater-Geschäftsführer Wolfgang Patzelt aus, sei den laufenden Tarifverhandlungen insofern „dazwischengekommen“.

Eine Prozesslawine, losgetreten von den 430 MitarbeiterInnen, warnt er, „würde nur die Anwälte reich machen“ – und das Geld anschließend für die Sanierung des Theaters fehlen. Die „Sanierungsleistung“, die die MitarbeiterInnen in den Folgejahren erbringen müssten, würde entsprechend steigen. Die Gesamtsumme der Einsparungen sei fix. Im Gegensatz zum aktuellen Fall, wo ein Mitarbeiter in Altersteilzeit geklagt hatte, werde man bei weiteren Prozessen daher alle Rechtsmittel ausschöpfen, kündigte Patzelt an – um Zeit zu gewinnen, den Notlagentarifvertrag zuvor abzuschließen.

Az.: 9 Ca 9029/06 vom 12. 04. 06