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Archiv-Artikel

„Chinesen sind sehr lernwillig“

WELTAUSSTELLUNG Architekt Cui Tong über das beginnende Event in Schanghai

Cui Tong

■ ist Vizepräsident des Instituts für Architektur und Design an der Akademie für Wissenschaften im heute wieder zu China gehörenden Schanghai.

Die Shanghaier Weltausstellung beginnt am 1. Mai unter dem Motto: „Bessere Stadt, besseres Leben“. Im Jahr 2025 könnte es in China bereits 15 Megastädte geben, in denen jeweils rund 25 Millionen leben.

taz: Herr Tong, welchen Einfluss wird die Expo in Schanghai mit ihrem umwelt- und menschenfreundlichen Slogan auf den Städtebau in China haben?

Cui Tong: Die Weltausstellung kommt zu einer Zeit, in der China einen Bauboom erlebt, da ist das Motto sehr passend. Aber, ehrlich gesagt, bedeutet das nicht unbedingt, dass alle Expo-Pavillons in Schanghai nach ökologischen Standards gebaut sind.

Überall in China entstehen neue Städte, alte Viertel werden umgekrempelt. Wie ernst nehmen chinesische Architekten dabei den Umweltschutz?

Viele chinesische Architekten beginnen sich dafür zu interessieren, es ist aber noch relativ neu für uns. Konzepte wie „Ökotechnik“ oder „nachhaltiges Bauen“ gehören in Europa längst zur Grundausbildung – so wie man sich dort auch über die Kultur und Geschichte eines Ortes Gedanken macht, bevor man mit seinem Entwurf beginnt. Meines Erachtens müsste das auch in China von Anfang an zum Lehrstoff gehören.

Das ist aber nicht der Fall?

So generell kann man das nicht sagen. Bei uns ist die Qualität der Ausbildung und der Dozenten sehr unterschiedlich. In den letzten Jahren sind neue Institute entstanden, es könnten Dutzende oder sogar Hunderte sein. An den klassischen Universitäten wie der Qinghua in Peking oder der Tongji in Schanghai wurden Kurse für „Nachhaltiges Bauen“ schon vor 15 oder 20 Jahren eingeführt. Ich wäre sehr dafür, dass dies überall zur Grundausbildung gehört. Wir haben inzwischen immerhin eine ganze Reihe von Kooperationsprojekten zum Thema „ökologisches Bauen“, in denen chinesische und ausländische Studenten und Architekten zusammenarbeiten.

Welche von Chinas etwa 170 Millionenstädte wäre derzeit als umweltfreundlich zu bezeichnen?

Keine. Hier und da gibt es ein paar Ökohäuser. Als „lebenswerte“ Städte kann man vielleicht Orte wie Qingdao oder kleinere Städte in ländlichen Regionen bezeichnen. Bedenken Sie: Bei uns leben bald 1,4 Milliarden Menschen auf einer Fläche, die etwas größer als Australien ist, dessen Bevölkerung nur 24 Millionen erreicht. Das macht es für uns besonders schwer, umweltgerechte Städte zu bauen – aber das bedeutet nicht, dass wir nicht danach streben sollten.

Gibt es staatliche Vorschriften beim Bau neuer Häuser für Wärmedämmung oder Energieverbrauch?

Ja, und sie werden immer strikter. Sie regeln zum Beispiel das Verhältnis der Fenster- zu den Wandflächen oder den Einsatz von Doppelfenstern. Durchgesetzt werden diese Vorschriften allerdings nicht immer. China ist noch nicht sehr reich. Deshalb können sich die meisten Bauherren für gewöhnliche Wohnungen oder Bürobauten keine so teure Technologie leisten wie in Deutschland.

Wie lange wird es Ihrer Ansicht noch dauern, bis sich in China das Verständnis für ökologisches Bauen durchsetzt?

Die alten Maya haben prophezeit, die Erde werde im Jahr 2012 untergehen, wie kann ich es wagen, etwas anderes vorauszusagen? Mal ernsthaft: Ich glaube doch, dass wir das Ziel besseren Bauens erreichen können, bevor wir den Planeten ganz zerstören. Wahrscheinlich werden reichere Metropolen wie Peking und Schanghai den Anfang machen, außerdem einige kleinere Orte, die günstig gelegen sind und die eine verhältnismäßig üppige Vegetation und nicht so viele Bewohner haben. Die Götter haben Europa besser bedacht als China, wo mehr Menschen sich auf weniger Land zusammendrängen. Aber wir Chinesen sind sehr initiativ, lernwillig und für neue Dinge aufgeschlossen. Deshalb bin ich nicht pessimistisch. Und ich fürchte mich auch nicht vor dem Weltuntergang.

INTERVIEW: JUTTA LIETSCH