„Mich nicht alleine nackig machen“

NSU-PROZESS Carsten S. lässt sich zu Waffenübergabe befragen – und belastet Ralf Wohlleben erneut

MÜNCHEN taz/afp | Im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München stellte sich der Beschuldigte Carsten S.am Donnerstag erstmals den Fragen des Verteidigers des mitbeschuldigten ehemaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben. Und Verteidiger Olaf Klemke förderte dabei einige Ungereimtheiten zutage.

S. selbst hatte bereits gestanden, dem NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe jene Waffe mit besorgt zu haben, mit denen zwischen 2006 und 2011 insgesamt neun Migranten getötet wurden. Dabei hatte er Wohlleben schwer belastet: S. gab an, in dessen Auftrag die Waffen besorgt zu haben.

Am Dienstag hatte S. als letzten Angeklagter den Saal A 101 betreten, die Kapuze der blauen Jacke wieder tief ins Gesicht gezogen. Klemke wollte von S. wissen, warum er sich jetzt seinen Fragen stelle, und spielte darauf an, dass Behörden da etwas versprochen haben könnten. Denn bisher wollte S. sich nicht „alleine nackig machen“, wenn Wohlleben weiter schwiege. Doch: „Nein, kein Angebot“, konterte daraufhin Carsten S. Es sei ihm vielmehr bewusst geworden, dass „wenn ich mich komplett einlasse, dieses die Glaubwürdigkeit meines Geständnisses unterstreicht“.

Diese Glaubwürdigkeit versuchte Klemke in der mehrstündigen Vernehmung durch Detailfragen zu widerlegen. Er hielt S. seine widersprüchliche Aussagen zur Waffenübergabe vor. S. blieb aber dabei, das Wohlleben über ihn den Kauf der Ceská einfädelte, bei dem Preis zustimmte und das Geld, 2.500 DM, besorgt habe. Wann er das Geld bekommen haben will, fragte Klemke nach. S. konnte es nicht mehr erinnern, aber er wusste: „Ich hatte das Geld von Wohlleben.“ In dessen Wohnung in Jena, sagte S., hätte Wohlleben den mitgelieferten Schalldämpfer auf der Waffe befestigt.

Vor einem anderen Gericht scheiterte derweil ein Opfer des dem NSU zugerechneten Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße mit einer Klage auf höhere Entschädigungszahlungen durch den deutschen Staat. Der Umfang der Mittel für entsprechende Leistungen sei „eine politische und keine rechtliche Entscheidung“, befand das Verwaltungsgericht Köln. Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht beantragt werden. (Az. 1 K 7266/12)

ANDREAS SPEIT