Einsam auf moderne Art

Bäume sprechen: Rudolf Thomes neuer Film „Du hast gesagt, dass du mich liebst“

Rudolf Thomes Filme sind nicht für jedermann. Was an sich ja noch nichts Besonderes ist, schließlich kann man das Gleiche von Eric Rohmer, Aki Kaurismäki oder sogar Woody Allen sagen. Während die Genannten aber ihre Zuschauergemeinde durch regelmäßige Belieferung mit typischer Ware bei der Stange halten, stellt Thome seine Fangemeinde mit jedem Film auf eine neue Probe. Und das nicht, weil er Experimente wagen oder sonst wie untypisch agieren würde. Nein, „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ – wie für Kenner schon am Titel ablesbar – ist ein in all seinen Eigenschaften typischer Thome-Film: Unprätentiös gefilmt; es geht um Liebe und Alltag; Hannelore Elsner spielt mit. Die Probe für die geneigten Zuschauer besteht darin, ob und wie weit man es diesmal wieder aushält: die Kombination aus menschlicher Ungelenkheit und gestelzten Sätzen, die Unmittelbarkeit der Inszenierung, das Privatistische. Anders formuliert könnte man auch sagen: Thomes Filme sind peinlich. Aber das ist eben zugleich auch ihre Stärke.

Einerseits ist Thome ein großer Realist: Niemand kann wie er den unscheinbaren Glamour Berliner Altbau-Wohnungen auf die Leinwand bringen. Auch die Figur der 60-jährigen Johanna, die Elsner hier spielt, scheint ungemein sorgfältig der Wirklichkeit abgeguckt: eine geschiedene Frau in Frührente, die durch gewisse Tätigkeiten wie Schwimmen und Spazierengehen versucht, eine Struktur in ihrem Leben aufrechtzuerhalten, dann aber am helllichten Nachmittag beim Lesen auf dem Bett einen Verzweiflungsanfall bekommt: „Warum habe ich mich nicht besser vorbereitet auf die Zeit, in der ich nicht mehr arbeite?“ Johanna ist einsam auf durchaus moderne Art: eine in gewisser Weise selbst geschneiderte Einsamkeit. Wie man aus den inneren Monologen erfährt, die die ersten Filmsequenzen mit ihr aus dem Off begleiten, hat sie ihren Ehemann verlassen, weil der untreu war; auch pflegt sie keinen intensiven Kontakt mehr zur erwachsenen Tochter, schließlich ist die selbstständig. Ihr einziger Gesprächspartner ist im ersten Teil des Films die tote Mutter, deren Grab sie regelmäßig aufsucht.

Das etwas affektierte Spiel von Hannelore Elsner trägt auf kongeniale Weise dazu bei, aus Johanna ein präzises Porträt einer bestimmten Art von Weiblichkeit zu machen. Sie ist das typische alt gewordene Mädchen, das die Prinzessinnen-Träume nie aufgegeben hat. Eigentlich möchte sie als Diva behandelt werden, und selbst 50 Jahre völliger Religionsferne können sie nicht daran hindern, in die nächstbeste Kirche zu stiefeln, um Gott darum zu bitten, ihr einen Gefallen zu tun. Dass diese Frau den Prinzessinnen-Traum, die kirchliche Hochzeit, erfüllt bekommen wird, kann man an dieser Stelle bereits ahnen.

Das heißt aber auch, dass sich rein handlungstechnisch Thome diesmal in gefährlicher Nähe zum ZDF-Sonntagabend-Programm befindet. Kaum ist das Gebet an Gott verklungen, taucht auch schon der Mann auf, der den Zustand der Einsamkeit beendet. Er heißt praktischerweise Johannes, und es ist Liebe auf den ersten Blick. Bevor das Glück sich endgültig niederlassen kann, muss aber noch so manche Schicksalsprüfung bestanden werden. Aber wieder hilft die Kleinmädchenmagie und bringt einen Baum zum Sprechen. Dargestellt ist das natürlich alles ganz anders als in den Pilcher-Verfilmungen. Einerseits ungeschönter, andererseits viel poetischer. Was eine nicht immer leicht zu ertragende Kombination ist, sondern manchmal den echten Peinlichkeiten des Lebens verdammt nahe kommt.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„Du hast gesagt, dass du mich liebst“, Regie: Rudolf Thome. Mit Hannelore Elsner u. a., D 2005, 117 Min.