: Showdown um Dose oder Mehrweg
Für das Mehrweg-Pfandsystem geht’s ums Ganze: Zum 1. Mai ändert sich die Verpackungsverordnung, die Rückgabe von Einwegflaschen und Dosen wird bequemer. Umweltverbände trommeln für die Vorteile der gläsernen Pfandflasche
von BEATE WILLMS
Die Idee ist so einfach wie überzeugend: Der Mineralwasserkasten lässt sich in der Mitte auseinander nehmen und rückenfreundlich in zwei Teilen nach Hause tragen. Dafür bekam die Adelholzener Mineralbrunnen GmbH gestern den „Mehrweg-Innovationspreis“. Ausgeschrieben hatten ihn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Stiftung Initiative Mehrweg. Sie wollen dem traditionellen Mehrwegpfandsystem damit zu einem hipperen Image verhelfen.
Der Vorstoß scheint nötig. Am Montag tritt die 3. Novelle der Verpackungsverordnung in Kraft. Und darüber, wie sich die Getränkebranche danach entwickelt, streiten die Geister. Während die Umweltverbände glauben, dass sich Mehrweg durchsetzt, glauben die Händler an das Comeback der Dose. Denn zum 1. Mai wird die Pfandpflicht nicht nur auf Erfrischungsgetränke wie Eistee, Fitnessgetränke und Alcopops ausgeweitet. Vor allem können pfandpflichtige Dosen und Einwegflaschen in allen Supermärkten zurückgegeben werden, die Verpackungen aus dem gleichen Material verkaufen – egal wo sie erworben wurden. Bislang gelten Insellösungen, wonach jeder Laden nur seine eigenen Produkte zurücknimmt.
Die bisherige Bilanz der seit 2003 geltenden Bepfandung kann sich nach Umweltgesichtspunkten sehen lassen. Die Mehrwegquote für Bier stieg von 70,4 Prozent im Dezember 2002 auf zuletzt fast 89 Prozent. Bei Softdrinks kletterte sie von 47,9 auf 54 Prozent. Nur bei Mineralwasser sank sie von 66,6 auf 54 Prozent. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch erklärt das vor allem damit, dass Wasser in Einwegflaschen zur Aktionsware von Discountern gehöre. Diese soll die Kunden anlocken und wird praktisch ohne Gewinn verkauft.
Ob sich dieser Trend nach der Novelle fortsetzt, ist unklar. So wird es bei Galeria Kaufhof künftig nur noch Mehrwegflaschen geben, und auch viele kleinere Läden wollen sich die rund 15.000 Euro teuren Rücknahmeautomaten für Einwegverpackungen nicht leisten. Mit Aldi und Lidl haben zudem die marktführenden Discounter erklärt, künftig Dosen aus den Regalen zu verbannen und stattdessen auf Glas und Petflaschen zu setzen – allerdings bedeutet das noch keine Abkehr vom Einweg. Die Discounter öffnen sich nur wieder den Markenherstellern, die sie aus dem Angebot genommen hatten, weil sie nur eigene Getränke verkaufen wollten.
Die Getränkehersteller hoffen nun auf neuen Absatz – für Einwegflaschen. Zumal auch die Ketten Metro und Edeka angekündigt haben, Dosen und andere Einwegverpackungen wieder in ihr Sortiment aufzunehmen.
Auch bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), die eine Verpackungsabgabe statt des Pfands befürwortet hatte, befürchtet man den endgültigen Sieg des Einwegs. „Mit dem Pfand wird dem Verbraucher signalisiert, dass die Dose irgendwie doch umweltverträglich ist“, sagte Uwe Witt, NGG-Referatsleiter Getränkeindustrie, der taz. Sowohl für den Handel als auch für die Hersteller sei Einweg interessanter: Im Laden benötigt das System weniger Stellfläche und Personal. Ähnlich ist es in der Produktion. Investiert wurde nämlich vor allem bei den Anlagen für Einwegverpackungen. Ergebnis: Dort arbeiten heute 3 bis 5 Leute pro Schicht, in einer Mehrweganlage 9 bis 12 – plus Arbeitskräfte für Rückholung und Reinigung.
Trotzdem erwarten die Umweltverbände, dass Mehrweg gewinnt. Nicht nur wegen der besseren Ökobilanz. Gläserne Pfandflaschen bürgten wegen des bundesweiten Standardformats „für einen Erhalt der regionalen Getränkevielfalt“, sagt DUH-Vorstand Christian Arns. „Und sie stehen für eine traditionelle und stilvolle Alltagskultur.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen