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Archiv-Artikel

Der Ölteppich wächst und wächst

KATASTROPHE Nach dem Untergang einer Bohrinsel breitet sich das Öl im Golf von Mexiko weiter aus und bedroht die Südküsten der USA. Aus dem lecken Bohrloch strömt ungehindert Öl nach. Kein Ende in Sicht. Obama vor Ort

„Der Ölteppich bedroht buchstäblich unsere Lebensweise“

B. JINDAL, GOUVERNEUR VON LOUISIANA

VON JENS KLEIN

Der Ölteppich im Golf von Mexiko nimmt immer gewaltigere Ausmaße an. Ein Ende ist dabei nicht abzusehen, da das Öl weiter ungehindert aus dem Bohrloch der untergegangenen Bohrinsel „Deepwater Horizon“ strömt. Zwar erreichte bis Sonntag nur wenig Öl die Küste, angesichts des immer weiter wachsenden Ölteppichs machte sich bei den Menschen an der Küste von Louisiana aber Verzweiflung breit. Sie sehen ihre Lebensgrundlagen in Gefahr. US-Präsident Barack Obama wollte sich am Sonntag selbst ein Bild von der Lage machen.

Alle Versuche, das austretende Öl irgendwie aufzuhalten, damit es nicht die Küste erreicht, blieben weiter erfolglos. Der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, kritisierte den Ölkonzern BP, weil dieser nach seinen Angaben noch immer kein Konzept für den Schutz der Küste vorgelegt hat. Entsprechende Pläne habe er bereits vor mehr als einer Woche angefordert. Der Ölteppich „bedroht buchstäblich unsere Lebensweise“.

Sorgen bereitete Experten vor allem die Tatsache, dass sich die Größe des Ölteppichs innerhalb eines Tages fast verdreifachte. Das Öl breite sich weit schneller aus als bislang gedacht, erklärte Hans Graber von der Universität von Miami nach der Auswertung von Satellitenbildern. Hatte der Ölteppich am Donnerstag noch eine Größe von fast 3.000 Quadratkilometern, so waren es am Freitagabend rund 9.900 Quadratkilometer. Das entspricht ungefähr der Hälfte der Fläche von Rheinland-Pfalz.

Völlig unklar ist auch noch, wie verhindert werden kann, dass weiterhin 800.000 Liter Öl pro Tag aus dem Bohrloch austreten. Hierzu werden gleich drei Ansätze verfolgt: Ferngesteuerte Roboter versuchen schon seit einigen Tagen, unter Wasser den sogenannten Blow-out-Preventer am Bohrloch zu aktivieren. Dieser stählerne Korken soll normalerweise im Notfall das Bohrloch verschließen und somit das Aufsteigen von Öl und Gas verhindern.

Am Festland wird indes an einer Stahlkuppel gearbeitet, die über das Bohrloch gestülpt werden soll. Sie würde das Öl kontrolliert an die Oberfläche führen, wo es von einem Schiff abgesaugt werden könnte. In flacheren Gewässern hat sich die Vorrichtung laut BP bereits bewährt. Nun werde die Kuppel für den Einsatz in Tiefwasser umgebaut. „Wir gehen davon aus, dass sie innerhalb der nächsten vier Wochen fertiggestellt wird“, heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns.

Die eigentlich Lösung besteht aber darin, das Bohrloch mit Zement zu verschließen wie einen kaputten Zahn. Das ist allerdings derzeit nicht möglich, weil der Druck, mit dem das Öl herausschießt, zu hoch ist. Deshalb sind inzwischen zwei Bohrschiffe zum Unglücksort gefahren. Sie gehören zum Unternehmen Transocean, von dem BP die gesunkene Plattform geleast hatte. Die Schiffe sollen versuchen, Entlastungsbohrungen vorzunehmen, damit der Druck am Ölbohrloch sinkt. Anschließend sollen die Löcher mit Zement wieder verschlossen werden. Das dürfte nach Schätzungen etwa drei Monate dauern. Experten sehen in den Entlastungsbohrungen die einzige Möglichkeit, die Ölpest langfristig in den Griff zu bekommen.