„Wenn kein Mensch aufsteht“

Beinahe unbemerkt gewinnt die Tischtennis-Frauennationalmannschaft bei der WM ihr zweites Spiel

BREMEN taz ■ Im Schatten des Schattensports – die deutschen Tischtennisspielerinnen ertragen ihr dunkles Schicksal mit sonnigem Gemüt. Besonders nach dem Marathon-Match gegen die Niederlande. Zum Auftakt der Mannschafts-WM drehte die Auswahl des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) am Montagabend in einem 200 Minuten währenden Kampf einen 0:2-Rückstand zu einem 3:2-Sieg. Gestern Mittag ließen Wu Jiaduo, die das einzige Spiel verlor, Nicole Struse (beide FSV Kroppach) und Elke Wosik (TV Busenbach) ein 3:1 über Italien folgen. Zwei schöne Erfolge.

Ändern werden die freilich nichts am Stellenwert der deutschen Tischtennisspielerinnen. „Dass über uns nicht so viel geredet wird, ist normal“, tröstet sich Elke Wosik und ergänzt, „Frauen stehen bei allen Sportarten hintan.“ Hierzulande starren selbst die, die sich für Pingpong interessieren, nur auf das Männer-Quintett um Timo Boll. Rund 800 Zuschauern verloren sich um 10 Uhr, „wenn kein Mensch aufsteht“ (Nicole Struse), gegen die Niederlande in der Halle. Am Montagabend beim 3:1-Erfolg der Männer gegen Norwegen – durch zwei Siege von Timo Boll und Christian Süß bei einer Niederlage von Jörg Rosskopf – fanden sich fünfmal so viele Fans ein. „Dass die Herren mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist nicht unberechtigt, weil sie mit Timo Boll einen der weltbesten Spieler haben. Das können die Damen nicht bieten“, räumt Bundestrainer Jörg Bitzigeio ein.

Der 29-Jährige, der seit Januar im Amt ist, hält jedoch eines „für erwähnenswert: Mit Nicole Struse als Nummer 16 befindet sich zum ersten Mal seit langem wieder eine Deutsche in den Top 20 der Weltrangliste.“ Im Hype um Weltcupsieger Boll geht unter, dass die deutschen Frauen ebenso wie die Männer bei der Weltmeisterschaft auf Position fünf gesetzt sind. Dank der größeren Ausgeglichenheit und daraus resultierender taktischer Möglichkeiten rechnen sich Struse und Wosik sogar eine Medaillenchance aus – sofern die mehrfachen Europameisterinnen, Kristin Silbereisen (TV Busenbach) und die beiden WM-Debütantinnen Wu Jiaduo und Zhenqi Barthel (Homberger TS) bis zum Halbfinale von den übermächtigen Chinesinnen verschont bleiben. „Ab Position zwei der Setzliste können wir jeden schlagen“, glaubt Bitzigeio vor dem heutigen Spiel gegen den Weltranglistenzweiten Südkorea und fügt an: „Es gibt natürlich auch Teams hinter uns, gegen die wir verlieren können.“ Nach dem 3:1 über Italien kann der einwöchige Marsch aus dem Schatten in der Schatten-Disziplin jedenfalls fortgesetzt werden.

HARTMUT METZ