Genussvolle Ambivalenz

Stadtneurotikerinnen, coole Kämpferinnen und Brave New Girls: In ihnen feiert Karin Lenzhofer in „Chicks Rule!“ die Repräsentantinnen der neuen US-TV-Serienheldin

Am Anfang, schreibt Karin Lenzhofer, „war die Cosmopolitan“. Ein Artikel des Magazins gab Anstoß zu „Chicks Rule! Die schönen neuen Heldinnen in US-amerikanischen Fernsehserien“, ihrer Untersuchung, die mit gendertheoretischem Besteck endlich das neue popkulturelle Phänomen seziert, das unter Titeln wie „Ally McBeal“, „Buffy“, „Desperate Housewifes“, „Ellen“, „Gilmore Girls“ oder „Sex and the City“ auf unseren Bildschirmen läuft.

Wie kam es zu diesem Boom an Serienheldinnen, und vor allem welche Wirkungen hat er für das Selbstverständnis und die Lebensführung der Rezipientinnen, fragt die Autorin. Freilich eher in rhetorischer als in kritischer Absicht, denn allzu schnell ist sie sich der subversiven Funktion der weiblichen Seriencharaktere sicher. Am Anfang stand eben Cosmo – schon immer gegen das Patriarchat.

Lenzhofer hat durchaus gute Argumente für ihre These. Besonders die Paarung von gemeinhin als unweiblich angesehenen Verhaltensweisen und Fähigkeiten mit geradezu übertrieben ausgestellten, typisch weiblich geltenden Attributen wie Anmut, Sexyness und Schönheit, scheint Alternativen zur gängigen gesellschaftlichen und kulturellen Konstruktion von Weiblichkeit aufzuzeigen. Der gemäß ist ja das eine strikt zu vermeiden, weil es mit dem – selbstverständlich zurückhaltend gezeigten – anderen niemals einhergehen kann.

Das Spiel mit der Übertreibung, der uneigentlichen Sprache der Maskerade und der Attraktivität einer hybriden, sexuell uneindeutigen Identität, das Lenzhofer in den Serien beobachtet und ausführlich analysiert, torpediert zunächst einmal essenzialistische und naturalistische Definitionen von Weiblichkeit ebenso wie ihre ganz bewusst als Konvention verteidigten Muster. Ambivalenz wird hier genussvoll erfahren. Dafür spricht die starke positive Resonanz des Publikums auf diese Serienheldinnen.

Trotzdem ermüdet die Begeisterung für die postfeministisch-emanzipatorischen Qualitäten all dieser Wonder Women, Stadtneurotikerinnen, coolen Kämpferinnen und Brave New Girls schneller als erwartet. Und schneller als vorhergesehen setzt Skepsis ein. Die Ermächtigung des Menschen weiblichen Geschlechts als politisches Subjekt in Gesellschaft und Geschichte: Wie wichtig ist diese Idee überhaupt für die beobachtete Transgression stereotyper Weiblichkeitsvorstellung in den Geschichten? Diese Frage bleibt unterbelichtet. Dabei wird mit ihr keineswegs die normative Forderung aufgestellt, diese Idee müsse der Transgression eingeschrieben sein. Allerdings wird ein Automatismus verneint, der das eine im anderen immer schon verwirklicht sieht. Man kann sich vorstellen, das Spiel mit den Stereotypen geschehe nur um des Spielens willen. Seine emanzipatorischen Folgen und Wirkungen wären dann allerdings schwerer zu überschauen und zu benennen.

Vielleicht verführt diese Schwierigkeit die Autorin dazu, die Begrifflichkeiten und Konzepte der Queer Theory allzu apologetisch zu übernehmen und ihre mögliche Problematik nur am Einzelfall zu diskutieren, während sie eine grundsätzlicher angelegte Diskussion vermeidet. Als akademisch-kritische Auseinandersetzung mit der Theorie des Gender Trouble, des Gender Quake oder der Queer Studies und ihrer Anwendung für die Praxis der Populärkultur mit ihren Hervorbringungen überzeugt „Chicks Rule!“ nur bedingt. Dem Charakter des spannend zu lesenden Fanberichts, dem Lenzhofers Studie oft am nächsten kommt, steht dann wiederum die detaillierte Analyse und Kategorisierung des Materials entgegen.

BRIGITTE WERNEBURG

Karin Lenzhofer: „Chicks Rule! Die schönen neuen Heldinnen in US-amerikanischen Fernsehserien“. Cultural Studies 17, transcript Verlag, Bielefeld 2006, 322 Seiten, 28,80 €