Die Türkei rüstet zum Kampf gegen die PKK

Armee verstärkt Truppen an den Grenzen zu Irak und Iran. Antiterrorgesetz erweitert Kompetenzen der Polizei

ISTANBUL taz ■ US-Außenministerin Condoleezza Rice sah sich bei ihrem gestrigen Besuch in der Türkei vor allem mit einer Frage konfrontiert: „Was gedenken die USA und die US-Armee gegen die von Nordirak aus wieder massiv in der Türkei angreifende PKK-Guerilla zu tun? Offiziell wird die PKK in den USA und der EU als „terroristische Organisation“ geführt. Wieso tolerieren die USA die Angriffe der PKK aus dem Nordirak heraus?, ist eine der in der türkischen Öffentlichkeit oft gestellten Fragen.

Erst vor zwei Tagen hatte Generalstabschef Hilmi Özkök erklärt, es sei nach internationalem Recht möglich, Gewalttäter auch über eine Staatsgrenze zu verfolgen und die türkische Armee behalte sich vor, „PKK-Terroristen“ auch wieder im Nordirak zu stellen. Seit letzter Woche verstärkt die Armee ihre Truppen an der irakischen und iranischen Grenze. Insgesamt, so der Nachrichtensender NTV, sollen wieder bis zu 240.000 Soldaten in der Region stationiert werden.

Damit reagiert die Armee auch auf die jüngsten Auseinandersetzungen in Diyarbakir und anderen kurdischen Städten im Südosten. Obwohl kein Ausnahmezustand verhängt wurde, erinnert die Situation fast wieder an die Kriegszeit in den 90er-Jahren. Doch nicht nur militärisch rüstet der Staat gegen die PKK auf. Auch die Justiz soll ihren Teil zur Bekämpfung „separatistischer Kräfte“ leisten.

Ein neues Antiterrorgesetz gibt Polizei und Gendarmerie wieder mehr Kompetenz und schränkt die Meinungsfreiheit im Bereich „separatistischer Propaganda“ erheblich ein. Bei der Staatsanwaltschaft in Diyarbakir ist die Botschaft angekommen. Von den Festgenommenen bei den Ausschreitungen vor drei Wochen sollen auch 80 Jugendliche unter 18 Jahren angeklagt werden. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 24 Jahre Haft.

Diesem Klima des Zurückschlagens geopfert wurde ein Staatsanwalt, der es nach einem Attentat in der kurdischen Kleinstadt Semdinli, in das mutmaßlich Angehörige des militärischen Geheimdienstes verwickelt waren, gewagt hatte, den obersten Heereschef als Auftraggeber anzuklagen. Die Anklage gegen Heereschef Büyükanit wurde nicht zugelassen und der Staatsanwalt vom Dienst suspendiert. JÜRGEN GOTTSCHLICH