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Für den Wintersport wird es zu warm

Superrechner fürs Klima: Detailliert wie nie zuvor sagen Forscher die Klimaentwicklung für Deutschland vorher. Im Norden wird es im Sommer trocken, in den Alpen fällt weniger Schnee. Wetterextreme werden jedes Jahr rund 27 Milliarden Euro kosten

VON BERNWARD JANZING

Schlechte Aussichten für die Landwirtschaft im deutschen Nordosten: Im Sommer wird es bis zu 30 Prozent weniger regnen. Auch in Süddeutschland wird es künftig mehr Dürren geben. Die Waldbrandgefahr wird damit wachsen. Und die Binnenschiffer müssen mit Einschränkungen rechnen. Die Niederschläge im Winter werden hingegen fast überall zunehmen.

Die neue Klimaprognose, die das Umweltbundesamt (UBA) gestern vorgestellt hat, ist nicht erfreulich. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Simulationen, die am Klimarechenzentrum des Max-Planck-Instituts in Hamburg gemacht wurden, gleichwohl ein riesiger Fortschritt. Detailliert wie nie können die Forscher das Klima in Deutschland für das gesamte kommende Jahrhundert prognostizieren.

Für das neue Modell teilten die Experten Deutschland in zehn Mal zehn Kilometer kleine Kästchen ein. Der Computer berechnet für jedes dieser Quadrate das Klima. Weltweit wird bislang meist mit Gittern von rund 300 Kilometer Kantenlänge gearbeitet. An den Gitterkreuzungen löst der Computer 70 Gleichungen, um die Vorgänge des Klimas nachzubilden. Erwärmt sich etwa rechnerisch die Luft an einem der Gitterpunkte, steigt diese auf und zieht von anderen Punkten Luft nach. Strömungen entstehen. Das Modell, das der Großrechner simuliert, trägt den Namen Remo, für „Regionalmodell“.

So errechneten die Hamburger Meteorologen zum Beispiel, dass die Niederschläge an der Westseite des Schwarzwalds in den kommenden Jahrzehnten etwas abnehmen werden. An der Ostseite hingegen wird es tendenziell mehr regnen. Und die Erwärmung an der Ostseeküste wird etwas stärker sein als an der Nordsee. Am größten wird der Temperaturanstieg aber im Winter im Südosten der Republik sein – mit fatalen Konsequenzen für den Wintersport. Denn: In den Alpen fiel bislang ein Drittel der Niederschläge als Schnee. Künftig wird es nur noch ein Sechstel sein.

Die Klimaprognose kann künftig jeder kostenlos abrufen. Hydrologen, die etwa Hochwasserrisiken simulieren wollen, werden auf die Daten der Hamburger Meteorologen zurückgreifen. Auch Forstwissenschaftler, die sich um die Zukunft des Waldes in ihrer Region sorgen, können die Ergebnisse nutzen.

Der Prognosezeitraum reicht bis in das Jahr 2100 – wobei das Klimamodell nicht mit einer klassischen Wettervorhersage zu verwechseln ist. „Das Klima ist die Statistik des Wetters“, erklärt die zuständige Klimaforscherin Daniela Jacob. Ob etwa der Sommer 2080 an der Nordsee trocken oder aber verregnet sein wird, lässt sich auch mit dem neuen Modell nicht ermitteln. Dafür ist klar: Die Sommerniederschläge an der Nordsee werden in der zweiten Hälfte dieses Jahrhundert um rund zehn Prozent geringer sein als heute.

Je berechenbarer das künftige Klima wird, umso genauer lassen sich auch die ökonomischen Schäden durch Dürren und Überschwemmungen ermitteln. In den vergangenen zehn Jahren haben die extremen Wetterereignisse in Deutschland etwa 16,5 Milliarden Euro gekostet. Bis 2050, so schätzt das UBA, könnte die Summe auf jährlich 27 Milliarden Euro steigen. So werde „jedes Zögern beim Klimaschutz teuer“, sagte UBA-Präsident Andreas Troge.

Allerdings könnten die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Klimawandels abgefedert werden, meint der oberste Umweltschützer Deutschlands. Voraussetzung: Der globale Temperaturanstieg wird auf zwei Grad begrenzt. Der Computer berücksichtigt nämlich auch den Umgang des Menschen mit der Umwelt. Bei Fortschreibung der heutigen Energieverschwendung erwarten die Wissenschaftler in einigen Regionen Deutschlands allerdings einen Anstieg der Mitteltemperatur um bis zu 4 Grad.

Damit hat das neue Rechenmodell auch eine politische Komponente. Und so forderte das UBA gestern bei der Vorstellung der Forschungsresultate, dass Deutschland bis zum Jahr 2020 seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent reduzieren müsse. Troge sagte: Das ist „technisch möglich und wirtschaftlich tragfähig“.

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