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Archiv-Artikel

Brutales Ende eines Ausflugs

Eine deutsch-polnische Jugendclique kehrt nach Senftenberg in der Lausitz zurück. Die jungen Männer sagen im Prozess gegen rechtradikale Schläger aus, die sie im vergangenen Jahr verprügelt hatten. Den Tätern drohen bis zu zwei Jahre Haft

AUS SENFTENBERGMAURITIUS MUCH

Wenn Otto Müller* an den 17. September des vergangenen Jahres denkt, beschleicht ihn sofort ein ungutes Gefühl. Damals war der 22-jährige Hannoveraner mit fünf polnischen Freunden für ein Wochenende nach Senftenberg in der Lausitz gefahren. Bis Sonntagmorgen um 1.15 Uhr lief der Ausflug perfekt. Doch als die Jugendclique den Abend in einem Park in der Stadtmitte gemütlich ausklingen lassen wollte, kam plötzlich ein kurz geschorener junger Mann mit Bomberjacke auf Müller und seine Freunde zu.

Er pöbelte die Gruppe an, brüllte „Deutschland den Deutschen“ und „Sieg heil!“. Dann zerschmetterte er eine Bierflasche auf dem Tisch, an dem die Senftenbergbesucher saßen. Das war das Zeichen für fünf weitere junge Männer mit Bomberjacke. Vermummt mit schwarzen Skimasken, einer Deutschlandfahne und ins Gesicht gezogenen Kapuzen gingen sie auf Müller und seine Begleiter los. Ohne Anlass. Ohne Vorwarnung.

Müller bekam einen Schlag auf den Hinterkopf, einer seiner Freunde eine Faust direkt aufs Auge. Ein dritter blutete hinter dem Ohr, weil ihn dort eine Eisenkette traf. Müller lief davon. Erst als er auf der Flucht die Angreifer mit Pfefferspray besprühte, ließen sie von ihm und seinen Freunden ab.

Müller rief die Polizei. Als diese endlich eintraf, wollten die Beamten die junge Reisegruppe nicht mit ins Krankenhaus nehmen. „Wir sind doch kein Fuhrunternehmen“, hätten die Polizisten zu ihm gesagt. Also gingen Müller und seine polnischen Freunde zu Fuß.

Ein halbes Jahr später ist Otto Müller zurück in Senftenberg. Der Prozess gegen die rechtsradikalen Angreifer beginnt vor dem Amtsgericht. Müller will aussagen und seinen Peinigern ins Gesicht sehen. Viele seiner polnischen Freunde musste er überreden mitzukommen. Sie hatten Angst davor, die Schläger wiederzusehen.

Es ist Mittagspause im Amtsgericht. Und Otto Müller kann sogar lächeln. Er hat eine gewisse Genugtuung empfunden, als er die sechs Angeklagten nebeneinander sitzen sah. „Die haben schon ein bisschen ängstlich ausgesehen“, meint der Hannoveraner, während er in der Senftenberger Altstadt auf seinen Döner wartet.

Die sechs jungen Männer müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Einer von ihnen, Steffen K., wird beschuldigt, rechtsextreme Abzeichen auf der Bomberjacke getragen zu haben. Er war es, der gepöbelt und die Naziparolen gebrüllt hat, das gesteht K. vor Gericht. Er hat schon einmal eine Bewährungsstrafe bekommen, weil er einen kurdischen Dönerstand angezündet hat. Die Angeklagten sind zwischen 17 und 22 Jahre alt, genauso alt wie Müller und seine Freunde. Fast alle haben Vorstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung oder des Tragens von rechtsextremen Abzeichen. Ihnen drohen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren Knast.

Vor Gericht geben die Angeklagten zu, zur Tatzeit im Park gewesen zu sein. Doch sobald es darum geht zu sagen, wer zugeschlagen hat, verstummen die Angeklagten.

Am Nachmittag sagen Müller und seine Freunde aus. Ein Dolmetscher übersetzt, denn die jungen Polen verstehen kein Deutsch. Danach kommen die Zeugen an die Reihe, um 17.30 Uhr soll der letzte von ihnen sprechen. Ob das Gericht danach noch ein Urteil fällt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Otto Müller aber ist sich sicher, dass das Gericht für ihn und gegen die Schläger entscheiden wird. Dann kann er Senftenberg mit einem besseren Gefühl verlassen.

*Der Name wurde verändert